Ich habe wieder ein tolles Hamburger Startup interviewt. Heute lest ihr, wie SEA ME mit Mehrweg dem Verpackungsmüll bei Kosmetika den Kampf ansagt und warum wir zerooo ab jetzt mit drei o schreiben.

Problemzone Badezimmer

In unserem Badezimmer stehen x Flaschen, Tübchen, Tiegel. Die meisten davon aus Plastik. Obwohl ich mich bemühe, möglichst viel in fester Form zu kaufen. Das klappt nur leider meistens nicht.

Bei einigen Produkten, weil ich halt eben genau gerne dieses Produkt dieser einen Marken benutzen möchte. Bei anderen komme ich mit der festen Alternative nicht klar. Und einige Produkte gibt es einfach (noch) nicht in fester Form. Haargel zum Beispiel.

Ich bin also noch müllbergeweit vom Zero Waste Bad entfernt. Doch was wäre, wenn es gar keine feste Lösung sein muss?

Bei genauerem Hinsehen versteckt sich in unserem Bad nämlich schon ein flüssiges Zero Waste Produkt. Und in unserer Küche übrigens auch: die SEA ME Handseife. Die kommt in der schicken Glasflasche daher – und die landet, wenn die Seife leer ist, nicht im Glascontainer, sondern im Pfandautomaten.

Wie kommt SEA ME auf die Idee, Kosmetik im Mehrweg an zu bieten?

Die besten Ideen kommen ja bekanntlich unter der Dusche. Und so fiel der Blick von Lars Buck, dem Gründer von SEA ME, beim Duschen auf eine Shampooflasche aus Plastik. 1,1 Liter Rohöl in fester Form, die nach kürzester Zeit auf dem Müll landen. Muss das sein?

Weltweit wird nur etwa 8% des Plastik recycelt. Der Rest wird verbrannt oder gammelt irgendwo vor sich hin. Beide Szenarien sind für uns und unsere Umwelt schädlich. Beim Verbrennen wird CO2 freigesetzt, das die Erderwärmung anfeuert.

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Für das Klima ist es tatsächlich besser, wenn das Plastik im Meer schwimmt. Das CO2 bleibt gebunden. Nur leider verschmutzt dann Mikroplastik unser Wasser, wird von Meereslebewesen aufgenommen und gelangt so über die Nahrungskette auf unseren Tellern. Auch nicht so appetitlich.

Beim Getränkekauf sind wir es gewöhnt, für die Flasche Pfand zu bezahlen und sie später wieder im Laden zurückzugeben. Im Idealfall ist es eine Mehrwegflasche aus Glas oder Plastik, die gesammelt, gewaschen und wieder befüllt wird. Auch auf Joghurtgläsern und anderen Lebensmittel findet sich das Mehrwegzeichen immer häufiger.

Warum also nicht auch Kosmetik im Pfandbehälter?, dachte sich Lars.

SEA ME, die Kosmetikmarke im Mehrweg

Das war die Geburtsstunde von SEA ME. 2020 gingen zwei Produkte an den Start: die Handseife, die auch in meinem Badezimmer steht und nach frischer Meeresbrise riecht. Und pandemiebedingt das Desinfektionsgel, das gleichzeitig schützt und pflegt.

Seitdem sind noch vier weitere Produkte hinzugekommen, die Küche und Bad müllfrei(er) machen: das Entspannungsbad, die Handcreme, die Bodylotion und das Spüli.

Handlotion & Entspannungsbad von SEA ME
Handlotion & Entspannungsbad von SEA MESEA ME)

Was ich mag

Alle Produkte sind vegan und ohne künstlichen Krimskrams. Das Entspannungsbad ist sogar Naturkosmetik zertifiziert.

Außerdem mag ich den Korkverschluss vom Entspannungsbad und vom Spüli. Da hat jemand mal richtig mitgedacht. Der ist nämlich so entworfen, dass man damit das Produkt genau dosieren kann.

Wo noch nachgebessert werden kann

Noch nicht alle Produkte sind Naturkosmetik. Das würde ich mir bei dem Preis wünschen.

Die Pumpe von Seife und Lotion sind aus Mischplastik und können zum aktuellen Zeitpunkt nicht wiederverwendet oder sortenrein recycelt werden. Sie sind aber auch nur als Übergangslösung gedacht, bis es eine zirkuläre Alternative gibt.

Bis dahin sammelt SEA ME die Pumpen, um ihnen irgendwann ein zweites Leben zu geben, wenn die zündende Idee kommt. Deswegen die Flaschen immer mit Pumpe (oder Korkverschluss) zurückgeben.

So funktioniert der Kosmetikpfand in der Praxis

Alle SEA ME Produkte kommen in einer Glasflasche mit Mehrwegzeichen daher. Dafür zahle ich 50 Cent Pfand. Aktuell gibt es SEA ME bei Budni und Müller (sogar in Österreich) und in einigen Filialen von Edeka, Globus und Rewe und verschiedenen Unverpacktläden und Concept Stores. Insgesamt in 893 Geschäften (Stand Mai 2022), Tendenz steigend.

Ist die Flasche leer, bringe ich den Behälter wieder in den Laden zurück. Das muss übrigens nicht die gleiche Filiale sein. Ich habe für meiner Patin die Handcreme als Weihnachtsgeschenk gekauft. Sie kann sie später Zuhause am Niederrhein bei Müller zurückgeben.

Und wie bekomme ich meinen Pfand zurück? Dazu gibst du Flasche einfach beim Bezahlen an der Kasse ab und bekommst direkt dein Pfand ausgezahlt. Gibt’s in der Filiale einen Pfandautomaten für Getränkeflaschen, wirfst du sie einfach in den Automaten.

Ist Glas die richtige Alternative zu Plastik?

Ich muss gestehen, dass ich meine erste Flasche Flüssigseife weniger wegen des guten Gewissens und mehr wegen des minimalistischen Looks gekauft habe. Und mich insgeheim gefragt habe, ob das mit dem Pfand wirklich was bringt. Schließlich ist Glas ja um einiges schwerer als Plastik.

Diese Frage habe ich also André von SEA ME gestellt und wir haben das ganze Mal gemeinsam durch gerechnet. Auch wenn das jetzt ein kleiner Matheexkurs wird – bleibt bei uns!

Mal nachgerechnet

In einen 40t-LKW passen etwa 13.000 250ml-Plastikflaschen. Pro Flasche benötigt man etwa 1,1 Liter Rohöl in der Herstellung. Das macht also 14.300 Liter Öl pro LKW-Ladung.

Stattdessen wird der LKW jetzt mit Mehrwegflaschen beladen. Diese werden in einer deutschen Glashütte in einem energieeffizienten, innovativen Verfahren mit Ökostrom hergestellt. Hierbei wird so gut wie kein Rohöl verbraucht.

Aufgrund des zusätzlichen Gewichts steigt der Verbrauch des LKWs um ca. 4L mehr Benzin pro 100 km. Für die Herstellung von 1 Liter Benzin benötigt man 2,9 Liter Rohöl, also 11,6 Liter für 4 Liter.

Gehen wir jetzt mal davon aus, dass der voll beladene LKW von Hamburg nach Graz in Österreich fährt (Das ist so ziemlich die am weitest entfernte Verkaufsstelle). Das sind round about 1000km. Jemand in Österreich kauft ein SEA ME Produkt, benutzt es und bringt die leere Flasche wieder zurück. Die Flasche kommt dann aus Graz wieder zurück nach Hamburg, wo sie gewaschen und wieder befüllt wird.

Hin und zurück macht das ca. 2000km. Bei 11,6 Litern pro 100 km sind das 232 Liter Rohöl pro LKW.

Mehrweg lohnt sich

Wir müssten die Glasflaschen 61 Mal von Hamburg nach Graz und wieder zurückfahren, bevor wir die gleiche Menge an Rohöl verbraucht haben wie für eine Ladung Plastikflaschen. Wobei die durchschnittliche Lebensdauer einer Glasflasche bei circa 30 Mehrwegzyklen liegt.

Fazit: Ja, wir sparen einiges an Rohöl, wenn wir Shampoo und Co. in der Mehrwegflasche kaufen.

Zerooo Waste – maximaler Impact

Natürlich ist jede gesparte Plastikflasche ein guter Schritt, aber doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Richtigen Impact hat das ganze nur, wenn andere Kosmetikhersteller nachziehen.

Deswegen war SEA ME immer so etwas wie ein Pilotprojekt. Das Versuchskaninchen, um zu zeigen, dass wir bereit sind, für Kosmetikbehälter Pfand zu bezahlen und diese dann auch zurückbringen.

Das Mehrwegsystem für Kosmetik

Das Experiment hat geklappt – und die Bahnen geebnet für zerooo. Seit kurzem können auch andere Marken die Mehrweg-Infrastruktur, die SEA ME aufgebaut hat, nutzen. Und das sieht dann ungefähr so aus:

Der Mehrwegkreislauf von zerooo
Der Mehrwegkreislauf von zerooozerooo)

Das Unternehmen bekommt die Mehrwegbehälter und kann diese selbst abfüllen und in den Handel bringen. Kund:innen kaufen und nutzen das Produkt und geben die leere Flasche oder den leeren Tiegel wieder an einer Annahmestelle ab. Zerooo holt die Behälter werden ab, sie werden zentral gereinigt und ein neuer Zyklus beginnt.

Neben der Glasflasche gibt es auch einen Tiegel. Außerdem wird an einer Plastikflasche getüftelt, weil eine Glasgefäß nicht immer praktisch ist (zum Beispiel in der Dusche).

Die drei o in zerooo stehen übrigens für die drei Nutzungskreisläufe, die miteinander verbunden sind: beim Kosmetikhersteller, im Laden und bei uns zuhause. Die drei verschlungenen Kreise helfen uns übrigens auch, zu erkennen, ob es sich um einen Mehrwegbehälter von zerooo handelt:

Die Mehrwegflasche von zerooo erkennt man an den drei Kreisen auf dem Flaschenboden
Die Mehrwegflasche von zerooo erkennt man an den drei Kreisen auf dem FlaschenbodenSEA ME)

Mit am Start: Jondi & Moon

Gerade ist zerooo dabei, Unternehmen für das System zu gewinnen. André hatte mir bereits verraten, dass sie mit Jondi & Moon im Gespräch sind. Das Hamburger Startup macht vegane nachhaltige Zahncreme zum Nachfüllen.

Ich habe am Wochenende auf dem Heldenmarkt eine der beiden Gründerinnen getroffen. Und da habe ich Jovanka natürlich direkt gefragt, ob die Zusammenarbeit schon spruchreif ist. Sie hat mir bestätigt, dass es ihre Zahncreme ab Ende diesen Jahres auch im Mehrwegbehälter geben soll.

Übrigens: Um Mehrweg für Kosmetik noch größer zu machen, sammeln SEA ME & zerooo gerade Funding. Infos zum Crowdinvestment gibt es hier.

Zero Waste auf Hanseatisch

Damit kommen wir dem Ziel eines Zero Waste Badezimmer wieder ein Stückchen näher. Seife, Entspannungsbad, Lotion, Zahncreme – alles im Mehrweg und made in Hamburg.

Sobald es eine unzerbrechliche Mehrwegflasche gibt, will SEA ME seine Produktpalette um Duschgel, Shampoo und Conditioner erweitern. Ich würde mich ja über Haargel freuen.

Welche Kosmetikartikel wünscht ihr euch im Mehrweg?

PS: Lust auf noch mehr Zero Waste Tipps? Hier entlang.