Ihr Lieben, Katrin hat mit Menstruationstassen den Anfang gemacht und ich mache gleich mit einem anderen intimen Thema weiter. Es geht um einen Ort, den wir alle mehrmals täglich besuchen, aber niemand gerne drüber redet: das Klo. Und deswegen scheint auch niemandem aufzufallen, dass die Spültoilette vielleicht doch keine so tolle Erfindung ist. Niemand? Doch, die Leute bei Goldeimer machen sich schon seit 2013 ziemlich viele Gedanken über die großen und kleinen menschlichen Bedürfnisse. Deswegen reden wir heute über Trockenklos, Kreislaufwirtschaft und einen ganz besonders fruchtbares Fleckchen Erde in Hamburg.

Warum Toiletten eine wahnsinnig gute und bescheuerte Idee zugleich sind

Das Spülko ist eine dieser Errungenschaft, die unser Leben nachhaltig verbessert haben. Für mich ist eine saubere Toilette eine Selbstverständlichkeit, über die ich im Alltag eher weniger nachdenke (höchstens, wenn es Zeit wird, das „schmutzige“ Stille Örtchen zu putzen). Sichere, saubere Toiletten und gute Abwassersysteme verhindern die Kontamination von Grund- und Trinkwasser und die Übertragung von Krankheiten wie Durchfall und Cholera. Ich gehöre glücklicherweise nicht zu der Hälfte der Weltbevölkerung, die keinen Zugang zu (sauberen) Sanitäranlagen hat und diesen Risiken täglich ausgesetzt sind.

Alea Sophie macht ein verwundertes Gesicht während sie eine Rolle Goldeimer-Klopapier auf dem Kopf balanciert
Ich wundere mich über Klos

Nur leider haben wir das Konzept des Wasserklosetts nicht ganz zu Ende gedacht. Denn was passiert, wenn wir die Toilettenspülung drücken? Dann rauschen 9 Liter Wasser die Leitung hinunter und transportieren unsere Hinterlassenschaften in die nächste Kläranlage. Dort wird das Wasser gereinigt und der übrig gebliebene Klärschlamm wird verbrannt. Dieses System hat gleich zwei Denkfehler.

Denkfehler Nummer 1

Je länger ich drüber nachdenken, desto absurder finde ich es, dass wir Trinkwasser mit Kot und Urin verunreinigen, nur um den Schiet aus unseren Häusern zu kriegen. Die Säuberung des Wassers im Klärwerk ist aufwendig und kostet ziemlich viel Energie. Nur um danach wieder sauberes Wasser in unsere Häuser zu transportieren, das wir trinken können (oder halt eben wieder die Toilette hinunter spülen).

Denkfehler Nummer 2

Die zweite Absurdität ist, dass wir den Klärschlamm verbrennen. Mitsamt allen darin enthaltenen Nährstoffe. Ein Beispiel: Wir scheiden unter anderem Phosphor über unseren Urin aus. Den nehmen wir über unser Essen auf, zum Beispiel durch Gemüse, das auf Feldern wächst. Die mit Phosphor gedüngt werden. Das bei 1400°C in Hochöfen aus Phosphatmineralien gewonnen wird. Die wir aus Afrika, China und den USA importieren, wo sie aufwendig in Minen gefördert werden.

Phosphor ist lebenswichtig. Für uns Menschen, aber auch für alle anderen Lebewesen. Und während die Phosphorgewinnung in den Minen immer schwieriger und teurer wird und Phosphordünger in den nächsten 20 Jahren knapp wird, verbrennen wir munter phosphathaltigen Klärschlamm. Leute, das ist absurd. Und dann haben wir noch nicht über all die anderen wichtigen Rohstoffe in unseren Ausscheidungen gesprochen. 

(K)ein Kreislauf, der leckt

Unsere Wasserklosetts sind das perfekte Beispiel für lineare Systeme. Sie funktionieren, aber sie sind nicht zu Ende gedacht. Denn am Ende des Systems entsteht ziemlich viel Müll, um den wir uns kümmern müssen. Dabei gehen unnötig Rohstoffe und Energie verloren, selbst wenn wir fleißig recyceln. Das System Spültoilette leckt eben wichtige Nährstoffe wie Phosphor, Kalium und Stickstoff.

In der Kreislaufwirtschaft gilt Müll als Designfehler. Da hat quasi jemand seine Arbeit nicht zu Ende gemacht. Ziel ist es, das keine Ressourcen verlorengehen.  Das bedeutet nicht, dass ein Material unendlich wiederverwendet wird. Sondern dass es am Ende seiner Lebensspanne als Nährstoffe für etwas Neues dient und somit im Kreislauf bleibt.

Diese Grafik erklärt den Unterschied zwischen linearen Systemen, Recycling und Kreislaufwirtschaft. Links: Ein voller Mülleimer, neben dem Müll liegt. Zwei Pfeile zeigen von oben nach unten direkt in den Mülleimer. Darunter steht das Wort linear. Mitte: Ein voller Mülleimer. Darüber ein Pfeil mit mehreren Schleifen, der in den Müllereimer zeigt. Darunter steht das Wort Recycling. Rechts: Ein leerer Mülleimer. Darüber ein Pfeil mit mehreren Schleifen. Der Pfeil zeigt vom Mülleimer weg.

Gibt es kreislauffähige Klos?

Wer in Hamburg eine willkürliche Toilette benutzt, wird dort in vielen Fällen auf Goldeimer-Klopapier stoßen. Das Hauptgeschäft von Goldeimer ist aber gar nicht, soziales und anti-rassistisches Klopapier zu verkaufen. Eigentlich ver- und betreibt das Sozialunternehmen kreislauffähige Trockenklos. 

Die kommen vor allem auf Festivals zum Einsatz. Und ganz ohne Wasser aus. Damit es angenehm riecht, liegen in der Kloschüssel saugfähige Holzspäne. Die Trockenklo-Inhalte der Festivalsaison 2019 (ja, damals vor Corona, als es noch Festivals gab) hat Goldeimer zusammen mit den Schietspezialisten von Finizio zu Kompost verarbeitet, der alle gesetzliche Grenzwerte für Humusdünger einhält. 

Und mit dem könnte man jetzt theoretisch Felder düngen. Wenn da nicht die deutsche Düngemittelverordnung wäre. Und generell deutsche Bürokratie. Damit schlagen sich Goldeimer und Finizio gerade herum, um dafür zu sorgen, dass der kompostierte Trockenkloschiet seinen Weg aufs Feld findet. Doch zum Glück gibt es in Hamburg einen Ort, an dem der Festivaldünger bereits zum Einsatz kommt.

Der Kackewald im Alster-Bille-Elbe-PARKS

Naja, noch ist es eher ein Wäldchen, das da auf dem alten Reyclinghof in Hammerbrook wächst. Der ist Teil des Projekts PARKS, das eine grüne Achse zwischen Alster, Bille und Elbe schaffen soll. Noch vor einem Jahr gähnte die Betonwüste, jetzt grünt und blüht es hier.

Und genau hier dürfen die Held:innen von Goldeimer testen, ob das mit dem Humanmist eine gute Idee ist oder halt eben Mist. Dazu haben sie ein Loch aus dem Asphalt gefräst und guten Hamburger Mutterboden mit Festivaldünger gemischt. Und im Mai 2020 viele kleine Stecklinge in die fruchtbare Erde gepflanzt.

Eine Grünfläche auf dem alten Recyclinghof. Hier hat Goldeimer ein Wäldchen auf Dünger aus Trockenkloinhalten gepflanzt.
Der Kackewald im Alster-Bille-Elbe-PARKS
Schiet happens ueber Goldeimer, Trockenklos & PARKS - Fruchterbarer Boden im Kackewald - Greenschnack
Fruchtbarer Boden

Ob der Schietkompost wirklich so fruchtbar ist? Davon habe ich mich im Oktober selbst überzeugt. An einem der letzten warmen Herbstsonntage haben wir uns auf den Weg zum PARKS ?, … zu den PARKS ??, … zum alten Recyclinghof gemacht (kann mich bitte jemand aufklären, ob PARKS Einzahl oder Mehrzahl ist?) und im Wäldchen gepicknickt. Einige der Sträucher sind in der anderthalb Jahren bestimmt drei Meter hoch gewachsen.

Der alte Recyclinghof ist nicht nur ein Ort, an dem Kreisläufe sichtbar werden. Hier kommen Menschen zusammen, die gemeinsam ihren Park nach ihren Wünschen gestalten. Mit Grünbeeten zum Urban Gardening, Skateplatz, Aussicht aufs Wasser und gemütlichen Plätzchen zum Verweilen. Drumherum werden Workshops, Konzerte und andere Gettogether organisiert. Gerade ist Winterpause, aber im nächsten Frühling geht es weiter. Mehr Infos findet ihr auf dem Instagram-Profil: @alster_bille_elbe_parks

Der Kackewald wächst auf Dünger aus Inhalten aus Trockenklos
Gemütliches Plätzchen
Ausblick auf den neugestalteten PARKS auf dem alten Recyclinghof in Hammerbrook
Der alte Recyclinghof ist jetzt ein PARKS

Sind Trockenklos die Toiletten der Zukunft?

Wenn ihr mich fragt: Ja! Aber bis dahin wird es noch einige Zeit dauern. Schließlich muss dafür unser komplettes System umgestellt werden. In meiner idealen Kreislaufwelt holt die Müllabfuhr keinen Müll mehr ab, sondern eben die Inhalte meines Trockenklos. Zumindest die Menge, die ich selbst nicht kompostieren kann.

Neben Festivals gibt es aber heute schon Situationen, in denen Trockentoiletten richtig praktisch sind: im Camper zum Beispiel oder im Schrebergarten. Dazu könnt ihr bei Goldeimer Trockenklos und Zubehör für die Fermentierung und Kompostierung kaufen. Das „Kackpulver“ und die Mikroorganismen sorgen dafür, dass eure Toilette nicht irgendwann anfängt zu müffeln und die Inhalte kompostiert werden können. Und irgendwann habt ihr dann eigenen fruchtbaren Humus produziert – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie das genau geht, erklärt Goldeimer hier.

Zeit für eine Klorevolution

Wenn diese eine Hausarbeit wäre, käme jetzt folgender Satz: „Anhand des Beispiel der Trockentoilette des Sozialunternehmens Goldeimer habe ich die Vorteile der Kreislaufwirtschaft gegenüber linearen Wirtschaftssystemen aufgezeigt …“ Da ich aber zum Glück seit drei Jahren keine Hausarbeiten mehr schreiben muss, halte ich mein Fazit kurz und knapp:

Das Wasserklosett (ich liebe dieses Wort) wie wir es kennen ist eine tolle Erfindung, hat aber einige Designfehler. Es wird Zeit für eine Klorevolution: Weniger Wasser im Klo, dafür mehr Dünger. Danke Goldeimer, dass ihr unerlässlich gegen die deutsche Bürokratie ankämpft, um Trockenklos alltagstauglich zu machen. Und schaut unbedingt bei PARKS vorbei!

Und jetzt will ich eure Meinung hören: Könnt ihr euch ein Leben ohne Spültoilette vorstellen?