Als globales Netzwerk mit Millionen von Menschen setzt sich Slow Food unter anderem für gutes, sauberes und faires Essen für alle ein. Slow Food hat sich dabei zum Ziel gesetzt, eine Ernährungswelt zu schaffen, die auf fairen Beziehungen basiert, die biologische Vielfalt, das Klima und die Gesundheit fördert und es allen Menschen ermöglicht, ein Leben in Würde und Freude zu führen. Greenschnack hat mit der neuen Convivienleiterin von Slow Food Hamburg, Sophie Wolters, gesprochen.

Foto: Caroline Barth

Sophie Wolters ist seit 2009 bei Slow Food aktiv. Während Ihres Studiums engagierte sie sich bei Slow Food in den Niederlanden und startete 2017 in Lübeck eine Regionalgruppe des Slow Food Youth Netzwerks. Bei Slow Food Youth organisieren Sich weltweit junge und lebensmittelbegeisterte Menschen und tauschen sich aus. Beruflich hat es Sophie nun nach Hamburg verschlagen. Sie arbeitet hier als Beraterin für Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion und engagiert sich nunmehr für Slow Food Hamburg.

Sophie im Greenschnack

Liebe Sophie, zunächst vielen Dank für Deine Zeit für das Gespräch mit Greenschnack. Du bist seit Frühling dieses Jahres die neue Convivienleiterin von Slow Food Hamburg. Erzähle unseren Leser:innen doch kurz, was Slow Food ist.   

Slow Food ist ein Nichtregierungsorganisation, die sich seit 1986 für gute, saubere und faire Lebensmittel für alle einsetzt. Das ist auch gleichzeitig der Slogan von Slow Food Deutschland. Die Organisation wurde in Italien von drei Freunden gegründet, die inspiriert waren von der Eröffnung der ersten McDonald´s Filiale in Rom – so lautet zumindest eine der Gründungsgeschichten. Sie haben Slow Food sozusagen als Podcast gegründet, damals eine illegale Radioshow, um den Menschen aufzuzeigen, wie gut das Ernährungssystem auch ohne Fast Food ist und warum Italiener:innen ihre Essenskultur bewahren und nicht zum Fast Food greifen sollten. Aus dieser Idee heraus ist mittlerweile eine weltweite Organisation geworden, die auf allen Kontinenten unterwegs ist.

Slowfood propagiert auf allen Kontinenten die Werte „gut, sauber und fair für alle“

Sie propagiert dort Slow Foods Werte „gut, sauber und fair für alle“. Slow Food tut das, indem die Organisation Produzent:innen Organisationen stärkt bzw. gründet, kulturell verankerte Lebensmittel, die  vielleicht wegen industrieller Landwirtschaft an Bedeutung verloren haben, fördert. Die Förderung solcher Lebensmittel erfolgt ganz einfach dadurch sie zu essen oder auch durch die Verbreitung von Rezepten, die dem Kulturschatz schon fast verlorengegangen sind. Praktisch geht es auch darum, die Information darüber, dass es noch andere Kohlsorten als den allseits verfügbaren Weißkohl gibt zu verbreiten oder Menschen dahingehend zu sensibilisieren, dass es neben den von Monsanto entwickelten Kartoffeln noch viele andere Sorten gibt. 

Was ist das Convivium?

Das Convivium ist die Regionalorganisation von Slow Food vor Ort. Wir sind organisiert in Regionen, da die Regionalität im Ernährungssystem eine sehr wichtige Rolle spielt und es daher Sinn macht sich als Slow Food regional zu organisieren. So können die regionalen Produzent:innen und die regionalen Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Jedes Convivium ist dabei verschieden, entsprechend der Mitgliederzahl vor Ort und der Lage. Im Stadtstaat Hamburg gibt es das Convivium Slow Food Hamburg, aber zum Beispiel gibt es im Harz ein regionales Convivium, unabhängig von einer Stadt. Die Mitglieder, die einen Mitgliedsbeitrag bezahlen, formen dabei das Convivium. Es gibt einen Convivienleitung, sowie regionale, nationale und internationale Kommissionen, an denen man sich beteiligen kann. 

Wie sieht Deine Rolle als Convivienleiterin von Slow Food Hamburg aus?

Was meine Tätigkeit als Convivienleiterin von Slow Food Hamburg angeht, so ist diese ehrenamtlich. Das heißt, dass man sich so einbringt, wie man kann. Da wir als Verein organisiert sind, gibt es einige formelle Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Das ist zum Beispiel die jährliche Mitgliederversammlung. Ich persönlich habe dann auch ein paar Lieblingsthemen, sehe mich aber eher als Organisatorin für die Mitglieder, die selbst auch Themen einbringen möchten, aber vielleicht nicht das entsprechende Netzwerk oder die Erfahrung in der Organisation von Events haben. Im Rahmen der grundsätzlichen Slow Food Themen sind alle frei zu wählen, was sie interessiert.  

Was unterscheidet Slow Food von anderen Organisationen, die sich im Bereich der Lebensmittelproduktion engagieren?

Ein wichtiger Unterschied ist die internationale Ausrichtung mit regionaler Prägung, also der Umstand, dass es überall Regionalgruppen gibt. Außerdem würde ich sagen, dass Slow Food auf internationale Ebene sehr ernährungspolitisch geprägt ist, es auf regionaler Ebene aber sehr um das Thema Genuss und regionale Vermarktung geht. Man kann somit immer die persönliche Nische in der Organisation finden.

Slow Food organisiert sich nicht nur regional, sondern in Deutschland auch auf Bundesebene, auf europäischer und internationaler Ebene. Unterscheiden sich die Themen?

Es gibt natürlich internationale Themen, die die gesamte Organisation beschäftigen. In den Regionen gibt es hingegen auch viele Themen, die direkt aus dem regionalen Wissensschatz kommen. Hier in Hamburg ist zum Beispiel die Chef Alliance sehr stark, was dazu führt, dass wir hier eine große Expertise haben, was die Verarbeitung von Lebensmitteln auf hohem Niveau angeht. Die Slow Food Chef Alliance ist das Netzwerk der Köch:innen, die nach den Slow Food Prinzipien arbeiten.

Die Slow Food Chef Alliance ist das Netzwerk von Köch:innen, die nach Slow Food Prinzipien arbeiten

Die Alliance ist selbstverwaltet und prüft auf Empfehlung anhand festgelegter Slow Food Kriterien, ob weitere Köch:innen in die Alliance aufgenommen werden können. Die Köch:innen kooperieren dann untereinander, aber auch mit dem Produzent:innen aus dem Slow Food Netzwerk.

Unsere Veranstaltungen rücken daher häufig das Handwerk und die Herstellung im Manufaktur Betrieb in den Vordergrund. Andere legen ihren Fokus zum Beispiel auf die solidarische Landwirtschaft oder ähnliches. Auf internationaler Ebene geht es vor allem um Ernährungspolitik. Um Themen, von denen man durch Slow Food erfährt, zum Beispiel um Lebensmittel, die wir hierzulande konsumieren, um deren Produktionsumstände man sich aber in der Regel keine Gedanken macht. Ein Beispiel sind die Bedingungen, untern denen manches Tomatenmark in Italien produziert wird (Anm.d.Red.: hierzu gibt es einen sehr interessanten Podcast).

Was sind die Hauptthemen von Slow Food Hamburg in den kommenden Monaten und im nächsten Jahr?

Mein Fokus liegt auf Produktionsbesuchen. Ich möchte den Mitgliedern gerne einmal im Monat einen Ausflug zu einer Produktionsstätte oder einen Hof anbieten. Dazu möchte ich die Slow Food Unterstützer:innen besuchen. Zum Beispiel ist das Elbmüller gerade Unterstützer von Slow Food Hamburg geworden, eine regionale, nachhaltig arbeitende Ölmühle.  Darüber hinaus haben wir eine Weingruppe, die sehr aktiv ist und wir wollen im Jahr 2024 auch wieder den Norddeutschen Käsemarkt veranstalten. Darüber hinaus möchte ich weitere Themen, nämlich Hülsenfrüchte und Algen, vorantreiben und war dazu auch beim Hobenschnack in der Hobenköök. Zum Thema Algen hoffe ich, dass ich ein vegetarische Surf&Turf Veranstaltung organisiert bekomme.

Worüber im Bereich der guten, sauberen und fairen Lebensmittelproduktion, insbesondere in der biologischen Produktion, derzeit viel die Rede ist: Rückgang des Konsum aufgrund der Inflation! Wie erlebst Du das bei den Unternehmen, mit denen ihr zusammenarbeitet?

Ja, wir haben leider damit zu tun. Ich finde zwei Punkte in diesem Zusammenhang aber sehr interessant und wichtig. Bioprodukte sind preislich stabil, bzw. zumindest viel stabiler geblieben. Biologische Produkte hänge ganz einfach viel weniger an Erdölpreisen. Die großen Mengen an fossilen Brennstoffen gehen ja vor allem in die Verwendung von Pestiziden und Düngern. Es ist jedoch so, dass das Leben ganz einfach teurer wird und oft zuerst an den Lebensmitteln gespart wird. Das erleben wir natürlich im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit den Produzent: innen. Aber es gibt auch immer wieder tolle Beispiele. Zum Beispiel entscheiden sich Menschen unabhängig von der Teuerung vor dem Hintergrund der Klimakrise weiterhin regelmäßig für klimaschonend Produziertes.

Was würdest Du den Menschen raten, die derzeit zweimal überlegen, ob sie zu „Slow-Food-konformen“ Produkten greifen oder doch lieber aus der Industrieproduktion kaufen?

Ich würde mir wünschen, dass sich die Menschen noch einmal damit auseinandersetzen, woran man täglich spart und dass die Menschen den Lebensmitteln, die sie täglich konsumieren einen höheren Stellenwert einräumen. Es geht um unsere Wahl und damit um ein großes Slow Food Thema „Du wählst mit Deiner Gabel“. Ich glaube, dass man damit sehr viel beeinflussen kann. Wenn die Menschen jedoch jeden cent fünfmal umdrehen müssen, dann wäre es schon wunderbar nach den Bio-Produkten der Discounter zu greifen, den Fleischkonsum reduziert bzw. minimiert und Lebensmittelverschwendung vermeidet. Es gibt Studien, die besagen, dass rund 40% der Lebensmittel, die produziert werden, nicht in unseren Bäuchen landen. Slow Food bietet in diesem Zusammenhang auch sehr viele Ideen, wie man Verschwendung vermeiden kann, zum Beispiel durch Haltbarmachung oder durch die Verwendung aller Teile von Gemüse und Obst.

Als Zeichen gegen Lebensmitttelverschwendung werden regelmäßig Schnibbeldiskos veranstaltet.

In einer Schnibbeldisko, die wir regelmäßig als Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung veranstalten, habe ich den Teilnehmern gesagt, dass ich gerne aus Möhrengrün Pesto mache. Viele wussten nicht, dass man es essen kann. Zum Beispiel steht bei mir auch immer Pesto aus Radischenblätten im Kühlschrank. Ein Problem sind auch die Großpackungen an Gemüse, z.B. Möhren. Am Ende muss man einige Möhren wegwerfen, da man nicht schafft sie zu verarbeiten und dann hat man auch nicht gespart. Mengenmäßig zielgerichtetes Einkaufen kann auch Geld sparen.

Was ist seit Deiner Wahl zur Leiterin bereits passiert und was werden wir von Slow Food Hamburg in der kommenden Zeit sehen?

Wir haben auf der Karlshöhe zwei Schnibbeldiskos in Zusammenarbeit mit der Hobenköök und der Stiftung Kinderjahre gemacht. Dort haben wir in der Entdeckerwerkstatt mit zwei siebten Schulklassen zwei Suppen gekocht im Rahmen der Ernährungsbildung. Das war super spannend dort mit den Schülern zu reden, die ganzen Geschmäcker gemeinsam auszuprobieren und darüber zu reden, wie bei den Schülern zu Hause gekocht wird. Wir haben uns am Open Mouth Festival beteiligt und den Film „Erde teilen“ gezeigt und danach eine Panel Diskussion mit SoLaWis gehabt. Superschmelz und Kattendorfer Hof waren da und haben aus ihrem Alltag erzählt.

Es gibt immer etwas Leckeres zu essen und zu trinken

Wir hatten ein Treffen im Restaurant Wolfsjunge. Sebastian Junge vom Wolfsjunge ist zum einen in der Chef Alliance, zum anderen stellvertretender Convivienleiter. Er hat an seinem freien Tag sein Restaurant für uns geöffnet und die Mitglieder eingeladen. Jeder hat seinen Lieblingsaufstrich beigebracht und Sebastian hat sein hausgemachtes Sauerteigbrot gebacken und Produkte aus seiner Manufaktur zur Verfügung gestellt. Im neuen Jahr wollen wir uns wieder auf regelmäßiges Zusammenkommen fokussieren. Auf jeden Fall wird es immer etwas Leckeres zu essen und zu trinken geben.  

Foto Thorben Hannig

Slow Food ist nicht nur offen für die Mitgliedschaft von Privatpersonen, sondern auf für Unterstützer:innen. Magst Du die Mitgliedschaften für die dazu geneigten Leser:innen erläutern?

Mitglied kann man in ganz Deutschland werden und wird nach seiner Postleitzahl dann einem Convivium zugeteilt. Die Mitgliedschaft kann man auf der Website beantragen. Es gibt verschiedene Mitgliedsbeiträge für Einzelpersonen oder Familien. Darüber hinaus gibt es einen stark reduzierten Mitgliedsbeitrag zum Beispiel für Auszubildende.

Die Goodies sind das Slow Food Magazin, das vier Mal im Jahr an die Mitglieder versendet wird. Man wird stimmberechtigtes Mitglied bei Slow Food Deutschland, bekommt die Newsletter und kann an allen Slow Food Veranstaltungen teilnehmen. Wie bereits gesagt, kann jedes Mietglied auch seine Themen vorantreiben und ich sehe mich in der Leitungsrolle hier als Unterstützerin. Im Moment fände ich es wahnsinnig schön, wenn es jemanden gäbe, der oder die sich für Food und Social Media begeistert und uns bei den Kommunikationsthemen unterstützt. Und da ich mich immer riesig freue, wenn Menschen zusammen kochen und essen, versuchen wir eine regelmäßig Kochgruppe zu organisieren. Das wäre auch eine wunderbare Sache für den Winter.

Im Moment fände ich es wahnsinnig schön, wenn es jemanden gäbe, der oder die sich für Food und Social Media begeistert und uns bei Kommunikationsthemen unterstützt.

Dann gibt es noch die Unternehmens Mitglieder. Wir nennen sie Unterstützer:innen. Dies sind in der Regel Lebensmittelunternehmen, die die Werte von Slow Food unterstützen. Die Unterstützer leisten entsprechend der Unternehmensgröße einen höheren Beitrag als die Privatpersonen. Es gibt dann eine kurze Prüfung der Übereinstimmung der Werte des Unternehmens mit denen von Slow Food. Das Unternehmen kann dann das Netzwerk uneingeschränkt nutzen und seine Slow Food Mitgliedschaft in der eigenen Kommunikation propagieren.

Und zum Schluss in aller Kürze: warum engagierst Du dich für Slow Food und was würdest Du unseren Leser:innen, die sich auch in diesem Bereich engagieren möchten, gerne mit auf diesen Weg geben?

Ich glaube es ist wichtig sich als Bürger:in zu beteiligen und damit einen Teil unsers Lebens und der Gesellschaft aktiv zu gestalten. Und Essen ist dabei ein tolles, spaßiges, leidenschaftliches Thema. Es hat etwas mit meiner eigenen Gesundheit zu tun. Ich muss jeden Tag essen und muss mich also generell damit beschäftigen. Warum sollte ich das also nicht bewusst tun, genießen und damit auch etwas für das Klima machen. Für mich hat, wie ich esse auch viel mit der Natur und mit dem Klimawandel zu tun, weil ganz einfach 40% der globalen Treibhausgas Emissionen aus der Lebensmittelproduktion kommen. Hier kann jeder selbst aktiv werden und an vielen Stellschrauben drehen. 

Liebe Sophie, vielen Dank für dieses Gespräch!

Kontakt:

hamburg(at)slowfood.de

www.slowfood.de