Auf dem Weg zur Capsule Wardrobe war ich mal wieder an dem Punkt, an dem nur noch das komplette Ausmisten meines Kleiderschranks die Lösung schien. Doch wohin mit dem aussortierten Kleiderberg? Ich habe mich in das Kaninchenloch von Altkleiderverwertung und Textilrecycling gestürzt und bin am Ende doch fündig geworden, wo wir in Hamburg unsere Altkleider loswerden. Die Heros dieser Geschichte: das Hamburger Startup recyclehero.

Mein ewiger Kampf im Kleiderschrank

Alle ein bis zwei Monate stehe ich vor meinem Kleiderschrank und verzweifele. Bluse, doof. Rock, doof. Lieblingsshirt, nicht doof, aber nichts im Schrank, womit ich es kombinieren kann. Ich habe mir die Capsule Wardrobe zwar zum heißen Ziel erklärt (Was wäre schöner, als jeden Morgen zwei beliebige Kleidungsstücke aus dem Schrank zu ziehen, die sich zu 100% miteinander kombinieren lassen?!), doch in der Umsetzung bin ich davon meilenweit entfernt.

Das hat auch damit zu tun, dass ich unmögliche(?) Ansprüche habe, wenn es um Klamotten geht. Kein Plastik, bio & fair hergestellt, am liebsten Second Hand (und damit bezahlbar). Ach ja, und passen sollten sie auch noch. Doof nur, dass mir die meisten (fairen) Marken zu groß sind. In der Regel bin ich schon glücklich, wenn ein neues Teil passt und eines der oben genannten Kriterien erfüllt.

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Die Folge: Der Inhalt meines Kleidungsschrank ist eher ein Sammelsurium aus bunt zusammengewürfelten Second-Hand-Funden und alten Schätzchen, die ich schon seit 10 Jahren oder mehr mit mir herumschleppe. In der unermüdlichen Hoffnung, irgendwann mal das Gegenstück zu finden, mit dem es sich dann doch kombinieren lässt.

Höchste Zeit also, mal wieder ordentlich auszumisten. Ganz im Marie Kondo-Stil habe ich meinen Kleiderschrank einmal komplett leergeräumt. Zurück kam nur, was ich wirklich anziehe – ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe mal gelesen, dass man beim Aussortieren die Dinge möglichst nicht anfassen soll, um die Distanz zu bewahren. Mir scheint das tatsächlich zu helfen.

Das Ergebnis waren ein übervoller Wäschekorb und fünf Paar Schuhe. Das hat mich dann doch etwas geschockt. Denn eigentlich wollen wir minimalistisch leben und nur die Dinge kaufen, die uns das Leben erleichtern oder schöner machen. In meinem Kleidungsschrank ist der Minimalismus anscheinend noch nicht ganz angekommen. Naja, Übung macht ja bekanntlich die Meister:in.

Das Problem mit den Altkleidern

Nach meiner Ausmistaktion stehe ich vor der nächsten Hürde: Wie werde ich den Kram jetzt los? Das meiste ist in meiner subjektiven Wahrnehmung noch gut in Schuss, aber es auf Kleinanzeigen reinzustellen, lohnt dann doch nicht. Um es in die Nachbarschaftstauschkiste zu legen, ist es zu viel. Bis vor einiger Zeit gab es in der Nähe noch einen Altkleidercontainer der Hamburger Stadtreinigung, aber der war sowieso immer überfüllt.

Ein überfüllter Altkleidercontainer in der Nähe

Viele von uns leben in der Annahme, dass wir mit unseren Kleiderspenden anderen etwas Gutes tun. Und an und für sich ist das ja ein schöner Gedanke, nur leider weit von der Praxis entfernt. Während meiner Recherche, wo ich in Hamburg meine Altkleider sinnvoll spenden kann, falle ich in das berühmte Kaninchenloch. Das Problem mit unseren Altkleidern:

Je schneller der Trend, desto schlechter die Qualität

Die Stadtreinigung hat während der Corona-Pandemie alle Altkleidercontainer in Hamburg abgebaut. Auch die Container des Deutschen Roten Kreuz gibt es nicht mehr. Der Grund: Die Containersammlung lohnt sich einfach nicht mehr. Denn die Qualität der Kleidung nahm in den vergangenen Jahren so weit ab, dass nur noch ein Bruchteil weitergetragen werden kann. Fast Fashion und Ultra Fast Fashion muss halt nur so lange halten, bis der Trend morgen wieder vorbei ist.

Auch gemeinnützige Organisationen sortieren einen immer größeren Teil der Kleiderspenden aus. Zum Beispiel, weil die Kleidung abgenutzt, kaputt, verfärbt oder generell minderwertig ist. Diese Stoffe werden „recycelt“. Doch Textilrecycling bedeutet in der Regel nicht, dass aus alter Kleidung neue wird. Stattdessen wird geschreddert, was das Zeug hält, um daraus Putzlappen, Dämmungen oder Füllungen herzustellen. Das ist klassisches Downcycling.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Deutschland ist weltweit Vizemeister, was den Export von Altkleidern angeht. Und das ist kein Titel, auf den wir stolz sein sollten. 2022 haben wir über 460.000 Tonnen Altkleider exportiert – das sind 5,5 Kilogramm pro Kopf.

Die Altkleider werden quer durch Europa geschickt, sortiert, weitertransportiert, wieder aussortiert und landen dann irgendwann in einem europäischen Seehafen. Von dort treten sie ihre Reise nach Afrika und Asien an. Rund 25% der europäischen Exporte gehen in afrikanische Länder wie Ghana, Kenia oder Nigeria.

Die Weltkarte von Statista zeigt, wohin Deutschland Altkleider exportiert (2022)
Die größten Abnehmer deutscher Altkleider wie die Niederlande oder Polen sind meist nur Zwischenstopps in Länder außerhalb der EU. Quelle: Statista.

Dort wird die Ware auf Second-Hand-Märkten weiterverkauft. Aber: Das bedroht nicht nur die lokale Modeindustrie, der afrikanische Markt wird regelrecht geflutet. Gut die Hälfte der Ware kann nicht weiterverkauft werden, unter anderem auch, weil es einfach Müll ist. Und landen auf der örtlichen Mülldeponie. Endstation.

In Chile werden große Mengen „Altkleider“ (an vielen Teilen hängt noch das Preisschild) in der Atacama-Wüste einfach abgeladen. Die Kleiderberge sind mittlerweile so groß, dass sie vom Weltall aus erkennbar sind. Das bedrückt mich besonders. Meiner Meinung nach ist die Desierto de Atacama nämlich der absolut schönste Ort der Welt:

Vicuña in der Atacama-Wüste in Chile: Hier werden Berge an Altkleidern entsorgt
Ein Vicuña in der Atacama-Wüste in Chile: Hier werden Berge an Altkleidern entsorgt. (Und nein, das Foto hat keinen Filter.)

Altkleider in Hamburg mit gutem Gewissen weitergeben

Bei einem Treffen meiner Regionalgruppe von Cradle to Cradle präsentiert sich mir die Lösung meines Problems in Person der wunderbaren Nadine von recyclehero. Das Hamburger Startup hat sich der Schließung von lokalen Kreisläufen für recyclefähige Materialien wie Altglas, Altpapier, Pfandflaschen und seit einiger Zeit auch Altkleidern verschrieben. Das Besondere: Die Altlasten werden mit dem E-Lastenfahrrad abgeholt. Das geht im dichten Hamburger Stadtverkehr schneller als mit dem Auto.

Altkleider in Hamburg spenden: Einfach von recyclehero abholen lassen

Das muss ich natürlich direkt ausprobieren. In einigen Stadtteilen von Hamburg kann man seine Altkleider von recyclehero schon abholen lassen und der Abholbereich wird immer größer. Meine Hood Bahrenfeld ist schon dabei, denn von hier aus ist es nicht weit bis zur Zentrale in der Stresemannstraße.

Ich buche über die Webseite einen kostenlosen Abholtermin. Hierzu muss ich angeben, wie viel meine Altkleider wiegen. Dazu reicht eine grobe Schätzung. Damit sich der Weg lohnt, sollten es aber mindestens 8 Kilogramm sein. Das waren bei mir ein übervoller Wäschekorb und eine große Tasche:

Ein übervoller Wäschekorb und eine Tasche mit Schuhen - Meine Kleiderspende an recyclehero
Fertig zum Abholen: Meine Kleiderspende für recyclehero

Zum vereinbarten Termin reicht es eigentlich, die Altkleider in einer verschlossenen Tüte mit einem Zettel vor die Haustür zu stellen. Ihr müsstet also noch nicht einmal zuhause sein. Ich war dafür natürlich zu neugierig und habe gewartet. Gegen kurz nach 11 fährt dann Hero Puhli mit seinem Lastenrad vor. Wir schnacken kurz, dann geht es für ihn auf seiner Route weiter.

Übrigens: Wer keine 8 Kilo zusammen bekommt oder noch nicht im Abholbereich wohnt, kann seine Klamotten auch bei einer der Sammelstellen abgeben. Oder ihr bestellt eine Sammelbox für die Arbeit.

Wie bleiben die Altkleider im lokalen Kreislauf?

Dazu hat recyclehero sich mit lokalen Unternehmen und Initiativen zusammengetan: Zuerst gehen die Kleider an das Second-Hand-Geschäft 2nd Fit. In den beiden Filialen in der Schanze und in Ottensen wird Kleidung zum Kilopreis verkauft. Das Sortiment wird alle drei Wochen komplett ausgetauscht und während der drei Wochen sinkt der Preis täglich.

Wenn ein Teil nach drei Wochen nicht verkauft wurde, spendet 2nd Fit es an Einrichtungen wie Hanseatic Help oder Engel in den Straßen. Was diese Organisationen nicht weitergeben können, wird an lokale Händler:innen weiterverkauft.

Was nimmt recyclehero an?

Ich habe ja bereits am Anfang erzählt, dass das größte Problem bei der Weiterverwertung der meisten Altkleider die Qualität ist. Das Sortieren ist aufwendig, denn Textilien können nur von Hand sortiert werden. Das Unternehmen erklärt in diesem Blogartikel, was sie (nicht) annehmen – und warum.

Damit sich die Abholung für alle Beteiligten lohnt, muss die Kleidung sauber und unbeschädigt sein. Auf Deutsch gesagt: Wenn ich das T-Shirt nicht mehr anziehen will, weil es Flecken oder Löcher hat, dann will es jemand anders auch nicht. Je besser wir vorsortieren, desto besser kann recyclehero die Kleidung weitergeben.

Tipps für Löcher, Flecken & Co.

Auch in meinem Wäscheberg haben sich ein oder zwei Teile mit Löchern oder Flecken versteckt. Doch auch dafür finde ich meistens noch eine Verwendung:

  • Kaputte Jeans können an das Hamburger Upcycling-Label Bridge & Tunnel gespendet werden.
  • T-Shirts aus Baumwolle nutze ich zum Trocknen meiner Haare. Dadurch werden sie nicht so frizzy.
  • Aus größeren Stoffstücken lässt sich wunderbar Lenas Brotbeutel nähen.
  • Socken mit Löchern eignen sich perfekt, um damit eure Pflanzen abzustauben.
  • Generell verdient jedes fleckige oder löchrige Stück Stoff ein zweites Leben als Putzlappen, oder nicht?

Und wenn es wirklich nicht mehr zu gebrauchen ist, dann ist der beste Ort zurzeit noch die Restmülltonne.

Der richtige Umgang mit Altkleidern

Für mich war dieser Artikel ein Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Je länger ich nach Möglichkeiten recherchierte, meine Altkleider in Hamburg zu spenden oder zu entsorgen, desto stärker wurde mir das globale Ausmaß meiner Wegwerfentscheidung bewusst. Oft haben wir kaum Möglichkeiten herauszufinden, ob das aussortierte T-Shirt im Hamburg bleibt oder sich auf eine Reise rund um die Welt macht. Das hat mir ziemlich Bauchschmerzen bereitet.

Umso schöner finde ich es, dass es Unternehmen wie recyclehero gibt, die versuchen, die Wertstoffströme so lokal wie möglich zu halten. Mein Praxistest, die Altkleider abholen zu lassen, hat super funktioniert. Dass sie nur die gut erhaltenen Kleidungsstücke annehmen, kann ich voll und ganz nachvollziehen.

Wir sollten (als Gesellschaft) anfangen, Verantwortung für die Entsorgung unseres Mülls zu übernehmen. Und diese nicht auf Unternehmen oder andere Länder abschieben. Das heißt auch, uns schon beim Kauf Gedanken darüber zu machen, ob wir das Teil wirklich brauchen.

Und jetzt freue ich mich auf eure Erfahrungen: Habt ihr schon mal Altkleider abholen lassen oder wo werdet ihr in Hamburg eure aussortierten Textilien los?