Wart Ihr schon einmal traurig oder wütend, weil etwas „irreparabel“ kaputt gegangen ist, dass ihr gern genutzt habt – kurz nach Ablauf der Garantiezeit? Wollt ihr Elektroschrott vermeiden und sucht einen Ort, wo man elektronische Geräte reparieren kann? Der Fachhandel kann oft nicht weiterhelfen, und das Recht auf Reparatur kommt nicht voran, aber im Repair Café gibt es Hilfe zur Selbsthilfe, und noch einiges dazu!

Was Du nicht reparieren kannst, gehört Dir nicht

Mein Onkel war Elektroingenieur. Er konnte alles reparieren. Sicher, die Dinge hatten hinterher manchmal etwas Charakter – wie das Spielzeugmotorrad, das nur noch rückwärts fuhr, oder die Kaffeemaschine, deren Knopf immer leuchtete, wenn sie ausgeschaltet war. Aber sie taten wieder! Die Fähigkeit, unsere Sachen wieder zum Leben zu erwecken trug definitiv dazu bei, dass er mein Lieblingsonkel war.

Es ist ja leider so, dass wir von sehr vielen Dingen umgeben sind, von denen nur Experten wissen, wie sie funktionieren. Geht eines davon kaputt, können wir es nur wegschmeißen und durch ein neues ersetzen. Das sorgt für Umsatz bei den Herstellern, aber es ist schade um die Komponenten, die noch funktionieren, und mit Nachhaltigkeit hat es sowieso nichts zu tun. Wie schön ist es, wenn man so einen Onkel hat, der Dinge reparieren kann! Und andersrum: Wie schön, wenn man seine Fähigkeiten einsetzen kann, um anderen damit eine Freude zu machen und etwas Sinnvolles zu tun.

Eine Idee kommt in Fahrt

Ungefähr so etwas muss sich auch Martine Postma in Holland überlegt haben. Schon länger hatte sie sich für Nachhaltigkeit eingesetzt. 2009 beschloss sie, Menschen, die kaputte Dinge haben, und Menschen, die sie reparieren können, miteinander in Kontakt zu bringen. Nicht im kommerziellen Rahmen, sondern als freiwillige, nachbarschaftliche Hilfsaktion. So kam das Repair Café auf die Welt.

14 Jahre später gibt es 2679 Cafés auf allen Kontinenten – und es werden immer mehr.

der Empfangstisch
Gute Laune für die gute Sache! Der Empfang in Norderstedt.

Erstkontakt mit Schreibtischlampen

Zum ersten Mal habe ich ein Repair Café bei uns in Langenhorn besucht, weil zwei Schreibtischlampen kaputt waren. Eine hatte einen Wackelkontakt im Stecker, und die andere wollte nicht mehr in ihrem Standfuß bleiben, sondern kippte immer nach vorne. Damals herrschte noch Corona, so dass ich nicht lange bleiben konnte. Ich erklärte am Empfangstisch kurz, was meine beiden Probleme waren. Dann unterschrieb ich einen Zettel, dass die Reparatur nach bestem Wissen und Gewissen und von Leuten, die sich – sei es aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder aufgrund persönlicher Weiterbildung – mit der Sache auskennen, ausgeführt werden würde, dass aber keine Gewährleistung gegeben werden kann. Danach bekam ich eine Nummer und durfte dann bald in den kleinen Saal, wo an mehreren Tischen die Sachkundigen saßen. Den Stecker nahm sich ein Elektro-Experte vor, und in den Standfuß schraubte der Mechaniker eine neue Schraube. Am Ende verließ ich das Café mit zwei funktionierenden Lampen. Das war ganz gut, und ich nahm mir vor, darüber gelegentlich mehr herauszufinden.

Die Macher im Norden Hamburgs

Elektroauto
Auch Kleinwagen werden sorgfältig geprüft.

Deshalb habe ich mich mit Ludwig Emminghaus getroffen, der das Café in Langenhorn organisiert. Er ist Ingenieur in Rente und hat lange Jahre in der Luftfahrt gearbeitet. Im Ruhestand plötzlich gar nichts mehr mit Technik zu tun zu haben, war irgendwie schade, und als er im Jahre 2015 davon hörte, dass Cornelia Büchner in Norderstedt ein Repair Café gründen wollte, ging er hin.

Zum Schluss waren es 25 Interessierte, die im Repair Café Norderstedt mitmachen wollten. 16 von ihnen hatten Zeit, die Kirchengemeinde am Harksheider Marktplatz stellte ihre Räumlichkeiten zur Verfügung, und im August 2015 konnte das Repair Café Norderstedt zum ersten Mal stattfinden. 25 Besuchern wurde damals geholfen. Inzwischen ist die Veranstaltung gut etabliert und gewachsen. Es kommen im Schnitt 80 bis 90 Leute mit kaputten Gegenständen, und auf der Liste der aktiven Ehrenamtliche stehen bereits seit Jahren mehr als 50 Personen. Das will ich mir natürlich ansehen und komme daher einmal vorbei, auch wenn ich gerade nichts zu reparieren dabei habe.

Eine auseinandergenommene Nähmaschine
Rekursion: Wenn man Dinge repariert, mit denen man Dinge repariert.

Sie machen Norderstedt heile

Repariert wird hier so ziemlich alles: Möbel, Fahrräder, Elektrogeräte, Modeschmuck, Kleidung, sogar HiFi-Geräte und Laptops kann man hinbringen. Ein besonderer Spezialist, ehemaliger Sattler, stellt ausschließlich Reißverschlüsse wieder her. Die Räume sind aufgeteilt: Draußen und im Flur gleich beim Eingang werden Fahrräder geflickt und vom ADFC (gegen Gebühr) codiert. Im Foyer ist der Empfang, die Modeschmuckreparatur und die Möbelexperten. Separate Räume haben die Elektriker und Elektroniker sowie die Kleidungs- und Reißverschlussreparatur. Früher gab es auch einen Spezialisten für mechanische Wand- und Standuhren, der einen extra ruhigen Raum hatte, um die Uhren abhorchen zu können. Der hat sich aber leider inzwischen wegen Krankheit zurückgezogen.

Handwerker bei der Arbeit
Experte bei der Arbeit: Hier wird ein Reißverschluss geheilt.

Tatsächlich sind viele der „Handwerker“ im Rentenalter. Wie Ludwig Emmelshaus erzählt, freuen sie sich, nach einem Berufsleben im technischen Bereich ihre Kenntnisse anzuwenden, um anderen weiterzuhelfen. Die Kenntnisse können dabei ziemlich beeindruckend sein: Meister, Diplomingenieure, sogar Doktoren. Das hält keinen davon ab, jetzt mit Freude einen Fön zu reparieren, der im Supermarkt vielleicht 10€ kostet. Die Dankbarkeit, wenn etwas wieder funktioniert, ist Lohn genug. Daher bemühen die Reparateure sich auch prinzipiell um jedes Objekt, das ihnen vorgelegt wird, sei es ein Staubsaugerroboter, ein Kasettenrekorder aus den 1970ern oder ein Teddybär, der singt und tanzt.

Was kommt am meisten in Langenhorn? Elektrogeräte, sagt Ludwig Emminghaus. Klar, davon gibt es in jedem Haushalt viele, und kaum jemand traut sich selbst dran. Cornelia Büchner ergänzt: Voraussetzung ist, dass das Gerät ohne zu beschädigen, geöffnet werden kann. Es muss geprüft werden, ob eine Reparatur überhaupt möglich ist. Und nicht immer gibt es noch Ersatzteile. In diesem Fall fällt es zumindest etwas leichter, das gut erhaltene aber defekte Gerät endgültig zu entsorgen.

Lecker Kuchen
Café niemals ohne Kuchen! Gegen Spende.

Was außerdem passiert im Repair Café

Außer dem Wieder-in-Gang-Bringen geschieht aber noch mehr. Bei den Reparaturen erläutern die Macher auch, was sie tun, so dass jeder etwas lernen kann über das Reparieren. Es liegen Do-it-yourself – Bücher aus, es gibt einen Tauschtisch für Dinge, die man nicht mehr braucht. Und es gibt selbstverständlich Kaffee und Kuchen und die Möglichkeit, zusammenzusitzen und zu klönen. In Norderstedt trinkt man Kaffee von „FAIRflixt goot! – Norderstedts Kaffee“. Schließlich soll so eine Werkstatt auch die Nachbarschaft verbinden. Hier funktioniert das ganz prächtig, das Repair Café ist eine Institution geworden. Als ich da bin, gibt es auch einen Stand der Stadtwerke zum Thema Energiesparen, und es wird an einem Wurfspiel für das Ulzburger Straßenfest gearbeitet. Vernetzung der Initiativen, das ist Cornelia Büchner ganz wichtig, weil das Thema „Nachhaltigkeit“ so umfassend ist.

Buechertisch
Wer mehr lernen will, kann sich vor Ort informieren.

Anleitung zum Selbermachen

Eine tolle Sache also, so ein Repair Café. Wenn ihr jetzt gleich selbst eines starten wollt, hier ein paar Tipps!

– Die Stiftung „Stichting Repair Café“ bietet Unterstützung an. Hier kannst Du z.B. ein Paket mit dem Handbuch und diversen nützlichen Vorlagen erhalten.

– Vernetzung ist wichtig. Das Café in Norderstedt zum Beispiel wurde und wird unterstützt von der Ev.-luth. Kirchengemeinde Falkenberg, der Evangelischen Familienbildung Norderstedt, der Stabsstelle Nachhaltiges Norderstedt usw. Flyer werden in den Stadtbüchereien, in sozialen Einrichtungen und an ähnlichen öffentlichen Orten ausgelegt.

– Stell dich drauf ein, dass es eine Anlaufzeit braucht. Ludwig Emminghaus berichtet, in Langenhorn kamen zu Anfang nur sehr wenige „Kunden“

-Ein Repair Café ist ein lokales Projekt, also mach Werbung im Viertel! In Langenhorn waren Plakate ein gutes Mittel, um das Projekt bekannt zu machen

– Sichere Dich ab. Insbesondere der Elektro-Bereich ist sensibel. Ausführliche Informationen findest du unter anderem unter „Sicherheit und Haftung“ auf der Internetseite www.reparatur-initiativen.de

– Du brauchst nicht nur Technikcracks. Die Aufgaben reichen vom Reparieren über Empfang und Aufnehmen der Problemstellung bis zum Verkauf der gespendeten Kuchen. Denn nur wenn alle sich wohlfühlen, kann aus deinem Repair-Café ein kleiner nachbarschaftlicher Treffpunkt werden.

Nichts mehr wegschmeißen müssen

Beim nächsten Defekt: ab ins Repair Café! Eine Liste mit Adressen und Terminen in Hamburg findest Du hier. Und falls Du Deine Fähigkeiten einbringen willst: Geh hin und sprich jemanden an, die Leute sind alle sehr nett. Mich haben sie an meinen Lieblingsonkel erinnert.