Schon mal drüber nachgedacht, einen gebrauchten Laptop zu kaufen? Als ich das erste Mal von gebrauchter, oder „refurbished IT“ hörte, fand ich das eine komische Idee. Smartphone und Laptop sind so nah an meinem Leben dran – sei es, um Nachrichten zu lesen, eine Bahnverbindung zu checken, Mails an Familie und Freunde zu schicken oder auch, um Blogartikel und andere Texte zu schreiben. Und etwas, das so nah an jemand anderem dran war, soll ich dann benutzen? Klang fast ein bisschen nach fremdgehen.

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Eine Auswahl meiner alten Notebooks

Warum ist ein gebrauchter Laptop besser?

Trotzdem habe ich mich schlau gemacht. Denn mir war bewusst, dass die kleinen Helferlein ein großes Gepäck mit sich tragen: Was so zierlich-elegant auf unseren Händen und Tischen vor uns liegt, besteht aus Rohstoffen, bei deren Gewinnung gewaltige Umweltschäden entstehen und die in komplexen Prozessen unter großem Energieaufwand veredelt und verarbeitet werden. Ungefähr zwei Drittel der CO2-Emissionen eines Laptops fallen bei der Herstellung an. Über Arbeitsbedingungen und Menschenrechte in der Produktionskette traue ich mich kaum zu reden; und nach der „Entsorgung“ wird das auch nicht besser. Im Grunde wissen wir alle, dass es nicht okay sein kann, diese unter Schmerzen hergestellten Wunderwerke nach zwei Jahren zu entsorgen und im Hochglanzladen neue, bessere zu erwerben, eingeschweißt in blankes Plastik.

Eben um die Zeit, als ich mir diese Gedanken machte, begann der Bildschirm meines treuen, sieben Jahre alten Laptops immer wieder zu flackern. Dann fielen sämtliche Rottöne aus – alle Bilder wurden fahl wie in einem dystopischen Film. Mein Mann schaute mir über die Schulter und sagte: „Boah, sieht das Sch*** aus.“ Er hatte Recht. Spätestens, als der Bildschirm dann immer wieder mal komplett ausfiel, war klar: Ein neuer Rechner musste sein, und bald. Also suchte ich auf den – fahlen – Seiten des Internets nach konkreten Möglichkeiten, einen Ersatz gebraucht zu erwerben. Man muss es ja zumindest probieren, dachte ich mir, einen neuen bestellen kann ich immer noch und werde es wahrscheinlich am Ende auch tun, denn: siehe oben.

Erste Erkenntnis: Es gibt viele Anbieter, die eigentlich alle gängigen Modelle liefern können.

Zweite Erkenntnis, und nicht besonders überraschend: Hersteller raten vom Kauf eines gebrauchten Geräts ab. Für alle, die es dennoch tun wollen, haben sie allerdings ein paar ganz nützliche Hinweise.

Dritte Erkenntnis: Einen gebrauchten privat genutzten Rechner – also das Modell „Lebensgefährte“, als das ich meine Geräte empfinde – gibt es eigentlich nicht zu kaufen.

Edelmetalle (Kupfer und Gold)

Edelmetalle haben elektronisch vorteilhafte Eigenschaften und sind daher wichtige Bestandteile von Laptops und Smartphones. Große Vorkommen liegen z.B. in Chile und Peru (Kupfer) sowie in China, Ghana und Indonesien (Gold). Beim Erzabbau im Tagebau oder in unterirdischen Minen werden schwere Maschinen und giftige Chemikalien (z.B. Arsen und Zyankali) eingesetzt. Die Minen gehören oft zu internationalen Konzernen, die keine Rücksicht auf die ortsansässigen Menschen und die Umwelt nehmen – schwere Menschenrechtsverletzungen und Verseuchung der Natur sind die Folgen. Durch den steigenden Bedarf wird es wirtschaftlich interessant, Vorkommen in abgelegenen Regionen auszubeuten, in denen (eben weil sie abgelegen sind) sich besonders wertvolle Ökosysteme erhalten haben.

Cobalt, Tantal und andere seltene Metalle

Werden aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften in elektronischen Bauteilen verwendet. Große Cobalt- und Tantalvorkommen liegen in der Republik Kongo, einem seit langem von Krisen und Bürgerkriegen zerrissenen Land. Verschiedene Kriegsparteien finanzieren ihre Waffen über den Verkauf von Cobalt, daher gelten die Metalle als „Konfliktmineralien“ (siehe z.B. hier). Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, Kinderarbeit an der Tagesordnung. Es gibt verschiedene gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen sollen, dass kein Cobalt aus zweifelhaften Quellen in Umlauf kommt. Die Wirksamkeit ist allerdings begrenzt.

Woher stammen gebrauchte Laptops?

Ein häufiges Modell funktioniert so: Große Firmen kaufen die Laptops für ihre Angestellten nicht, sondern leasen sie für zwei bis drei Jahre. Je nach Tätigkeit des Mitarbeiters fährt das Gerät dann entweder jeden Tag auf eine andere Baustelle, wo es in Dreck und Feuchtigkeit benutzt wird, oder es liegt als Backup-Rechner auf einem Schreibtisch herum und wandert höchstens mal vom Büro in den Besprechungsraum. Unabhängig vom Einsatzort werden nach Ablauf der Leasingfrist alle Geräte getauscht und durch neue ersetzt. Die alten Geräte sind zwar jetzt nicht mehr die aktuellsten Modelle, aber immer noch leistungsfähige Business-Notebooks, deren Ausstattung qualitativ wesentlich besser ist als die von Geräten, die für private Nutzer hergestellt werden. Das sind die Geräte, die für die großen Gebraucht-IT-Händler interessant sind. Alle gewinnen: die Firmen können mit ihren gebrauchten Geräten noch Geld verdienen, anstatt sich um die fachgerechte Entsorgung kümmern zu müssen. Die Händler können die Geräte günstig erwerben und mit Gewinn verkaufen. Der private Nutzer kann sich über ein Business-Notebook zum Economy-Preis freuen, außerdem ist der gewerbliche Verkäufer an die gesetzliche Gewährleistung von 12 Monaten gebunden. Und die Umwelt wird, naja, entlastet.

Andere Händler bieten auch Ware wie Ausstellungsstücke oder Rücksendungen an. Diese Geräte können, müssen aber nicht, kleinere Defekte gehabt haben. Schließlich werden auch Geräte, die technisch völlig in Ordnung sind, zurückgeschickt, wenn sie den Vorstellungen des Bestellenden nicht entsprechen.

Was bedeutet „refurbished IT“?

All diese Geräte werden unter dem Label „Refurbished IT“ zusammengefasst. Es bezeichnet also nicht die Herkunft, sondern die Behandlung vor dem Verkauf. Der Begriff ist nicht genormt, aber der Käufer kann eine fachkundige Aufarbeitung, Datenlöschung und – nicht zuletzt – Reinigung erwarten. (Letztere möchte man besonders bei Telefonen nicht missen…) Was der Anbieter genau verspricht, beschreibt er auf der Website. Zudem gibt er eine Gewährleistung auf das Gerät. Dabei ist allerdings meist weniger umfangreich als die Garantie des Herstellers (Erläuterung dazu z.B. hier). Für den Zustand des Geräts gibt es oft drei Kategorien:

A – neues Gerät (z.B. Rücksendung wegen Nichtgefallen, oder als Reserve vorgehalten)

B – gebrauchtes Gerät in gutem Zustand, übliche kleine Gebrauchsspuren vorhanden

C – gebrauchtes Gerät mit deutlichen Gebrauchsspuren, bis hin zu Rissen im Gehäuse.

Manche Händler haben auch eigene, differenziertere Kategorien. Wenn man sich für ein konkretes Gerät interessiert, kann man Kontakt aufnehmen und nachfragen. Ich habe mich also informiert und mit dem Gedanken angefreundet, den Dienstlaptop eines Versicherungsvertreters zu meinem neuen digitalen Lebensgefährten zu machen.

Entsorgung im Hausmüll = Verbrennen

Statistisch betrachtet, fallen in Deutschland pro Kopf und Jahr 19,4 kg Elektroschrott an. Das ist ohnehin zu viel, aber zusätzlich ist problematisch, dass davon nur 8,6 kg korrekt als E-Schrott bei den Recyclinghöfen abgegeben werden. Der Rest modert in Schubladen, wo er niemandem nützt, oder wird in den Hausmüll geworfen. Hausmüll wird aber nicht mehr auf recycelbare Bestandteile durchsucht, sondern stumpf verbrannt. Die Schlacke wird z.B. im Straßenbau verwendet. Dafür sind ausgediente Elektrogeräte wegen ihrer kostbaren Bestandteile jedoch viel zu schade!

Müllexport

Eine Studie des UBA von 2010 schätzt, dass jährlich 155 000 t Elektroschrott exportiert werden, v.a. nach Westafrika und Südostasien. Viele Container davon werden übrigens über den Hamburger Hafen verschickt! Die Geräte sind als Gebrauchtware deklariert, weil es aus gutem Grund verboten ist, Elektroschrott zu exportieren. Die Verwertung erfolgt oft ohne Standards und von Hand: Kabelummantellungen werden abgebrannt, Geräte zerschlagen, Teile im Säurebad voneinander getrennt. Was nicht wiedergewonnen werden kann, geschätzte 75%, wird irgendwo hingeworfen. Auch dabei werden keine Schutzmassnahmen eingehalten und Öle, Quecksilber und ähnliches gelangen in die Umwelt. Durch die grobe Verwertung gehen außerdem jährlich hunderte Kilo von Edelmetallen verloren, die sonst recycelt werden könnten.

Organisierte Kriminalität

Die komplizierten Wege des Elektroschrotts rund um den Globus machen es nationalen Behörden schwer, die Wege zu verfolgen. Durch das große Volumen ist es für kriminelle Organisationen mit internationalen Strukturen ein attraktives Geschäft. Der Gewinn wird hauptsächlich dadurch erzielt, dass die Kosten für eine anständige Wiederverwertung bzw. Entsorgung eingespart werden. Nebenbei werden auch noch funktionierende Geräte im Ausland verkauft. Das Verschieben von E-Schrott wird auch zur Steuerhinterziehung und zur Geldwäsche benutzt.

Welche Anbieter von refurbished IT gibt es?

Nun stellt sich die nächste Frage: Kann ich einen refurbished-Laptop in Hamburg bekommen? Tatsächlich gibt es einen Anbieter. Ich beschreibe dem Inhaber meine Anforderungen am Telefon, und er hätte ein Notebook in der gewünschten Größe, allerdings nicht von meinem liebsten Hersteller. Meine Wünsche bezüglich des Betriebssystems würde er netterweise erfüllen. Da Corona herrscht, kann ich nicht einfach im Laden vorbeikommen. Wir vereinbaren einen Termin, aber ehe es soweit ist, habe ich für mich entschieden, dass der Hersteller ein Punkt ist, in dem ich keine Kompromisse machen möchte. Immerhin will ich mich wieder für mehrere Jahre binden, und ein Laptop, über den man sich jedesmal ein kleines bisschen ärgert, tut nicht not. Keine Kompromisse bei Lebensgefährten! Da meine Recherche keinen weiteren Laden in Hamburg auftut, erweitere ich meinen Radius und suche nun deutschlandweit.

Da wird die Auswahl groß. Sehr sympathisch ist mir sofort AfB, weil sie soziale und ökologische Ansätze umsetzen. Es gibt ein grundsätzlich passendes Notebook im umfangreichen Onlineshop, aber hier gefällt mir das Betriebssystem nicht. Eine Anfrage ergibt, dass nur Windows möglich ist. Also leider kein Rechner von AfB für mich. Damit bin ich jetzt auf dem freien Markt. Schnell finde ich einen mittelgroßen Anbieter, der ein mir genehmes Notebook vorrätig hat und zwar nicht mein Wunschsystem aufspielt, aber das Gerät ohne Betriebssystem ausliefern kann. Der Preis liegt ungefähr bei der Hälfte von dem eines neuen Laptops. Gut, denke ich, das ist eine Gelegenheit, zu lernen, wie benutzerfreundlich Linux in der Installation tatsächlich ist. Und bestelle.

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So schlicht verpackt kam das gebrauchte Gerät an

Mein neuer gebrauchter Laptop

Es dauert ein paar Tage, dann kommt das Paket. Schlichte Verpackung, voluminöse Lufttaschen aus Plastik schützen das Gerät. Ein wenig nervös bin ich schon bei der Inspektion. In der Nähe der Taste „C“ finde ich tatsächlich ein kurzes braunes Haar. Kommt das jetzt von dem Versicherungsvertreter oder vom IT-Spezialisten? Ich nehme es raus. Ja, es ist deutlich zu erkennen, dass schon andere Finger auf der Tastatur getippt haben, und ein paar leichte Kratzer hat der Deckel auch. Das war es dann aber auch schon mit den Nickligkeiten. Als ich den Rechner ausprobiere, freue ich mich über den guten Zustand der Tastatur, die vielen schönen Farben auf dem Bildschirm und das Volumen des Akkus. Am nächsten freien Vormittag installiere ich mir ein schönes neues Linux, bin stolz wie Bolle, weil es geklappt hat, und sehr zufrieden mit meinem neuen Lebensgefährten.

Fazit:

Das Angebot an gebrauchter IT ist in den spezialisierten Shops fast so groß wie das an Neugeräten. Der Service ist auch vergleichbar gut. Beim Preis macht man echte Schnäppchen, dafür fällt natürlich die lange Garantie weg. Was ich sehr angenehm fand, war, dass die angebotenen Modelle nicht in aufwändigen Animationen präsentiert werden, sondern nur mit einem schlichten Foto und den technischen Daten. Es werden keine Sehnsüchte geweckt, sondern man wird über die vorhandene Ware informiert. Das heißt allerdings, dass man vorher wissen sollte, was man will. In meinem Fall hatte ich die Möglichkeiten meines alten Rechners bei weitem nicht ausgereizt. Daher war mir klar, dass ich in Sachen Prozessor, Arbeitsspeicher und Festplatte zufrieden sein würde, wenn der „neue“ Rechner genau so gut wäre wie der alte. Worauf ich nicht geachtet habe, war das Display – da bin ich versehentlich von Full HD auf HD abgestiegen. Inzwischen habe ich mich aber daran gewöhnt. Vielleicht zeigt es mir dafür länger alle Farben?

Ich kann nach dieser Erfahrung sehr gut verstehen, warum der Markt für gebrauchte IT-Geräte rasant wächst, und ich hoffe sehr, dass es so weiter geht. Und was meine Sammlung ausrangierter IT-Geräte betrifft: Die wandert jetzt ganz bald zum Recyclinghof!