Unter dem Motto Elf zu null – Hamburger Museen handeln startete am 30. August 2022 ein auf dem Bundesgebiet einmaliges Projekt. Das Projekt Elf zu null soll die Nachhaltigkeitstransformation in den teilnehmenden Institutionen konsequent und langfristig voranbringen. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda ist davon überzeugt, dass die Kultur ein Vorbild im nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen sein kann und auch muss.
Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit
Elf, da elf Museen und Gedenkstätten einen konkreten Beitrag auf dem gesamtgesellschaftlichen Weg zu Klimaneutralität leisten wollen. Null, da die Institutionen gemeinsam das Thema Nachhaltigkeit und Betriebsökonomie angehen und möglichst wenig CO2 ausstoßen möchten.
Die Federführung des Projekts liegt beim Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G)
Neben dem MK&G beteiligen sich unter anderem das Bucerius Kunst Forum, die Deichtorhallen Hamburg, die Hamburger Kunsthalle, das Museum am Rothenbaum (MARKK) und die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Die Kulturbehörde fördert das Projekt mit 150.000,- €.
Nachhaltigkeitstransformation in Museen konsequent und langfristig voranbringen
Greenschnack hat dazu mit der Direktorin des MK&G, Prof. Tulga Beyerle, gesprochen. Tulga Beyerle wechselte im Jahr 2018 vom Kunstgewerbemuseum Dresden zum MK&G. Sie hat sich in Hamburg zum Ziel gesetzt, das Haus mehr zu öffnen und breitere und neue Bevölkerungsschichten für ihre Themen zu begeistern. Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste.
Liebe Tulga, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für uns genommen hast. Zunächst zum allgemeinen Verständnis. Klimaneutralität: wovon reden wir hier im Zusammenhang mit einem Gebäude wie dem MK&G?
Die Antwort ist viel komplizierter, als dir und mir lieb ist. Es geht in jedem Fall nicht nur um den Energieverbrauch im Museum, sondern auch um die Produktion von Ausstellungen, oder den Leihverkehr unserer Sammlung, Wir sind sehr stolz, wenn Sammlungsobjekte an anderen Orten gezeigt werden, ebenso stolz, wenn wir Objekte anderer Sammlungen zeigen können. Aber – jeder Weg von A nach B kostet Energie …
Du bist in 2018 nach Hamburg gekommen. Hast Du die Idee dieser notwendigen Transformation bereits mitgebracht? Oder ist sie während der Arbeit im und mit dem MK&G entstanden?
Die Idee der Notwendigkeit einer Klimaneutralität war mir klar. Aber ich bin sehr froh mit Alexander Stockinger, der kaufmännische Geschäftsführer des Museums, den idealen Partner in dem Ziel gefunden zu haben. Es ist maßgeblich seine Initiative, dass es Elf zu Null gibt.
Was ist bereits angedacht und kann gar schon umgesetzt werden? Gibt es Vorbilder auf nationaler oder internationaler Ebene, an die man sich anlehnen kann? Oder ist jedes Haus individuell zu betrachten?
Im Moment sind wir in der Prüfung aller Parameter. Erst wenn wir das wissen, können wir handeln. Aber natürlich gibt es Vorbilder, wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Nur – es braucht unbedingt eine genaue Datengrundlage, die aktuell erfasst wird.
Wann wurde das Projekt Elf zu null geboren und wie kam es zu dem dortigen Zusammenschluss? Wie wird die Zusammenarbeit aussehen?
Du weißt – ich habe viele Ideen und kämpfe an vielen Fronten. Zum Beispiel welche Relevanz wir in der Gesellschaft haben, warum Menschen zu uns kommen und sich wohl fühlen. Natürlich auch das Thema Klimawandel, welches wir immer wieder in Ausstellungen thematisieren. Aber erst die Zusammenarbeit mit Alexander machte das Ziel rund – im Sinne der SDGs (Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen) die Ziele ganzheitlich zu betrachten. Alexanders wichtiger Erfolg war es, die Behörde für Kultur und Medien von der Notwendigkeit einer Sonderzuwendung zu überzeugen, mit der wir alle zusammen das Projekt umsetzen können. Aber man muss auch sagen, die Behörde war leicht zu gewinnen. Die wissen ja genauso wie wir, dass wir keine andere Wahl mehr haben.
Das Projekt beinhaltet die Weiterbildung von 20 Personen zu Transformationsmanager:innen. Was beinhaltet diese Weiterbildung?
Über die Förderung der Behörde für Kultur und Medien werden jeweils (max.) zwei Personen der beteiligten Institutionen zu Transformationsmanager:innen ausgebildet. Sie lernen, zu verstehen, welche Schritte in Richtung Klima-Neutralität gesetzt werden müssen und dieses Wissen in die Häuser zu tragen. Die Ausbildung erfolgt über das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit, welches von der BKM (Beauftragte für Kunst und Medien) des Bundes initiiert wurde. Natürlich kostet jede Ausbildung was, aber die Transformationsmanager:innen sind dann in der Lage, die Kolleg*innen zu sensibilisieren, auf Maßnahmen zu achten und so den Transfer in das Haus zu tragen.
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Handelt es sich beim Transformationsmanagement um eine zusätzliche Arbeit für Deine Mitarbeiter:innen? Oder werden für die Erfüllung der Projektziele neue Posten geschaffen?
Leider wie so oft zusätzliche Arbeit. Tmporär haben wir eine Mitarbeiterin, die zumindest ein halbes Jahr in der Aufarbeitung und Begleitung sehr wertvolle Arbeit leistet. Die beiden Transformationsmanager:innen leisten diese Arbeit zusätzlich zu ihrem Alltag.
Das MK&G wird die Federführung haben! Warum und was wird das für das Museum und die Mitarbeiter bedeuten?
Ich bin stolz auf die Initiative, die das Haus gesetzt hat. Aber Veränderung geht nur in Zusammenarbeit mit den anderen Häusern. Ich würde mich freuen, wenn über diese Arbeit der Austausch zwischen den Mitarbeiter:innen der Hamburger Museen noch besser wird.
Es geht hier ohne Frage um einen wichtigen Schritt. Im Mengenverhältnis handelt es sich aber zunächst um sehr wenige Gebäude. Man denke bei den öffentlichen Gebäuden schon alleine an die Verwaltung, die geschäftlich genutzten Gebäude, Bildungseinrichtungen und weiter Kultureinrichtungen. Gibt es von dort aus bereits Signale, dass Euren Beispielen gefolgt werden will? Und falls nicht, wie könnte man das schaffen?
Soweit ich weiß sind die zukünftigen Vorgaben der BUKEA Hamburg (Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft) sehr streng, was die Auflagen der Klimaneutralität und Energieeinsparung betrifft. Die Stadt Hamburg hat sich ja selber ehrgeizige Ziele gesetzt und will bis 2050 Klimaneutral werden. Wichtig für uns war und bleibt, dass gerade Häuser, die mit Ausstellungen das Thema sichtbar machen, auch die Hausarbeit dahinter machen und sich auf die Zukunft vorbereiten und einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Hamburger Verordnung zur Einsparung von Energie wird kurz- bis mittelfristig für jede:n sichtbar werden. Haben die aktuellen, durchaus von negativen Nachrichten dominierten Zeiten demnach das Projekt angeschoben?
Unser Projekt Elf zu Null hatte mit den notwendigen Einsparungen und absurden Energiepreisen an sich nichts zu tun. Aber natürlich ist Energiesparen, CO2 reduzieren immer auch Kosten sparen. Jetzt wird alles umso dringender und man kann nur hoffen das damit nicht die Klimaziele ins Hintertreffen geraten.
Zu den Besuchern und Interessierten: werden sie die Transformationen erleben oder verfolgen können?
Hmmm, ich fürchte noch lange nicht wirklich. Es ist nicht sichtbar und ich kann nicht sagen wie lange wir brauchen werden, um relevante Veränderungen erzeugt zu haben. Aber ich denke doch, dass wir immer wieder darüber berichten werden. Und eigentlich eine gute Anregung sich zu überlegen, wie man unser Publikum teilhaben lassen könnte.
Es ist jeder und jedem zu empfehlen regelmäßig das MK&G bzw. überhaupt die Hamburger Museen zu besuchen. Zum Abschluss nun aber die Frage, welche eurer Ausstellungen unsere Leser:innen derzeit auf keinen Fall verpassen dürfen?
Mining Photography. Das ist eine Ausstellung über den Ressourcenverbrauch der Erde in Zusammenhang mit der Produktion von Fotos und der gleichzeitig stattfindenden Dokumentation eben dieser Ausbeutung. Auch die Masse an Digitalen Fotos und die dafür notwendigen Serverfarmen = Energieverbrauch wird deutlich. Zu sehen bis 31.10.2022.
Vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Übrigens: Noch mehr Kultur gibt es in den Hamburger Bücherhallen. Lest Katrins Ode an den Ort, wo die wilden Bücher wohnen.