In Deutschland lieben wir die Schokolade. Mehr als 10% von uns genießen sie täglich, rund 35 % mehrmals die Woche. Der Geschmack ist dabei divers. Von der quadratisch-praktisch-gut Verpackten über die zarte Alpenmilch bis zur höchsten Vollendung: in der Werbewelt geht Schokolade immer mit einem einfachen Versprechen einher. In der wirklichen Welt gehört jedoch etwas mehr dazu eine gute Schokolade zu produzieren. Und „gut“ bezieht sich hier nicht ausschließlich auf die durchaus wichtige Komponente des Geschmacks. Über den lässt sich bekanntlich nicht streiten. Als „gut“ würde ich eine Schokolade bezeichnen, die darüber hinaus fair und nachhaltig hergestellt ist. Fair für die Kakaobäuerinnen und Kakaobauern und Ihre Mitarbeiter:innen. Nachhaltig für die Kakaopflanzen und deren Umwelt und bestenfalls noch nachhaltig im Transport zu uns. Was es mit dieser Art von guter Schokolade auf sich hat und was bean-to-bar Schokolade bedeutet, könnt ihr ein Stück weit bei uns erfahren.
Wie viel Schokolade essen wir und wo kommt sie her?
Europaweit erliegen die Deutschen am häufigsten dieser meist süßen Versuchung. In den letzten Jahren importierten deutsche Händler regelmäßig über 470 000 Tonnen Kakaobohnen. Pro-Kopf verbrauchten die Deutschen im Jahr 2020 11,1 Kilogramm Schokolade in einem Wert von 52,95€. Damit ist der Schokoladenkonsum hier zu Lande weiter gestiegen.
Wir haben Schokolade also unbestreitbar lieb. Es lohnt sich daher sich damit auseinander zu setzen, ob die Liebe und Zuneigung auch nur annähernd in die Produktion unserer süßen Freundin gesteckt wird. Wie ergeht es den Beschäftigten? Wie verträglich ist unser Konsum für die Umwelt vor Ort? Im Jahr 2018 kamen rund 80 % der Kakaoimporte aus Afrika. Hauptlieferanten waren mit der Elfenbeinküste (50 %), Nigeria (17 %) und Ghana (11 %) drei Staaten Westafrikas. Abgesehen von der arbeits- und menschenrechtlichen Problematik sehen Fachleute gerade in diesen Staaten aufgrund des Klimawandels und von Pflanzenkrankheiten in den kommenden Jahrzehnten die Anbauflächen und damit die Erntemengen von Kakao bedroht.
Was können wir tun?
Worauf können wir als Verbraucher achten? Worauf sollen wir gar achten? Und bringt ein guter Umgang mit der Natur und den Menschen ein besseres Produkt zu Tage?
Dazu habe ich mir Lisa & Marvin vom Social-Schoko-Startup once upon a bean gesprochen.
Once upon a bean möchte Schoko-Genießer:innen mit genau den bean-to-bar Schokoladen Hersteller:innen verbinden, die einen Unterschied machen. Das Start-up setzt sich für bewussten Schokoladengenuss ein. Durch die Information über die Probleme der aktuellen Kakaoindustrie regt es zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten an und bietet Alternativen für einen bewussteren Lebensstil an. Once upon a bean orientiert sich dabei an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. Insbesondere die Nachhaltigkeit in Konsum und Produktion, Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Maßnahmen zum Klimaschutz und der Schutz des Lebens an Land stehen bei once upon a bean im Fokus.
Interview
(GS = Greenschnack / L&M = Lisa und Marvin)
GS: Wo kommt Ihr her, wo möchtet Ihr hin?
L&M: Moin, wir beide sind Lisa & Marvin und wir sind 2016 aus dem schönen NRW ins schöne Hamburg gezogen. Marvin hat seinen Master im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und Lisa ihren Jobeinstieg als Bauingenieurin gestartet. Mittlerweile sind wir 6 Jahre in der Hansestadt und fühlen uns pudelwohl hier im Norden. 2020 haben wir uns dazu entschieden unseren Traum vom eigenen Social-Schoko-Startup in Hamburg zu realisieren.
GS: Warum habt Ihr Euch für Euren Traum entschieden?
L&M: Wir beide lieben Schokolade, aber hatten mehr und mehr ein schlechtes Gewissen dabei „anonyme“ Schokolade aus dem Supermarkt zu essen. Wer steckt hinter der Tafel? Wo kommen die Kakaobohnen her? Die Missstände in der Kakaoindustrie, wie die Ausbeutung von Mensch und Natur, wollten wir nicht länger hinnehmen. Wir wollten selbst etwas dafür tun, die Schokoladenbranche zu einem besseren und transparenteren Ort zu machen. Dabei sind wir auf die sogenannte bean-to-bar Bewegung gestoßen. Ab da stand für uns fest: Wir möchten uns für bewussten Schokoladen-Genuss einsetzen und eine nachhaltige Alternative zu industrieller Massenware anbieten.
GS: Bean-to-bar – was ist da?
L&M: Bean-to-bar-Schokolade steht für Handwerk statt Massenproduktion und echtes Kakaoaroma ganz ohne Chemie. Mehr und mehr kleine Hersteller:innen stellen (zunehmend auch in Deutschland) Schokolade handwerklich und in kleinen Mengen selbst her und führen dabei sämtliche Produktionsschritte eigenständig durch. Und zwar von der Kakaobohne bis zur Tafel. Das Positive: Sie betreiben oftmals direkten Handel mit den Kakaobauern, bilden langjährige Partnerschaften, tauschen Wissen aus und zahlen das Zwei- bis Dreifache des Fairtrade-Preises für ihre außergewöhnlichen Kakaobohnen.
GS: Was ist once upon a bean?
L&M: Mit once upon a bean möchten wir ausgewählten bean-to-bar Pionier:innen aus Deutschland und Europa eine Bühne geben, die für ausgezeichnete Schokoladen und wirklich fairen Handel stehen. Wir wollen die Geschichte hinter ihren Tafeln erzählen. Dazu gehen wir in den direkten Austausch mit den bean-to-bar Hersteller:innen, stellen sie ausführlich vor und machen ihre gesamte Lieferkette transparent.
Ihre besten Tafeln stellen wir dann zu verschiedenen Probierpaketen wie etwa der „Vegan Voyage“ oder „Discover America“ zusammen und bieten sie über unseren Onlineshop an. Wir liefern nicht nur wirklich tolle Schokoladen an unsere Kund:innen, sondern schicken die spannenden Hintergründe zur Herstellung gleich mit.
GS: Uns interessieren die Umstände, in denen die Menschen in der Rohstoffproduktion vor Ort arbeiten. Was könnt Ihr dazu sagen?
L&M: Leider sinkt der Börsenpreis für industriellen Kakao seit Jahren mit gravierenden Auswirkungen für die Menschen und die Natur in den Anbauregionen. Allein in Afrika und der Elfenbeinküste arbeiten laut aktuellem Kakaobarometer rund 1.5 Millionen Kinder in der Kakaoindustrie. Eine unvorstellbare Zahl, die knapp der Einwohnerzahl Hamburgs entspricht. Damit Kakaobauern trotz sinkender Preise trotzdem überleben können werden zudem oftmals Regenwälder für Monokulturen gerodet. Diese sind ertragreicher, aber schaden natürlich der Biodiversität und dem Klimaschutz.
Bean-to-bar Schokolade ist ein Weg diesen Teufelskreis zu durchbrechen, denn im Gegensatz zu industriellem Kakao geht es um Qualität statt Quantität. Die Kakaobohnen werden oftmals als Permakultur (Anm. d. Red.: eine Anbaumethode, deren Ziel es ist, nutzbare Ökosysteme zu schaffen, die sich selbst erhalten können) in den Regenwäldern angebaut. Durch die vielen angrenzenden Schattenpflanzen entwickeln sich in der Kakaobohne spannende Geschmacksnoten. Es entsteht sogenannter fine flavor Kakao. Die Qualität steigt und somit auch das Einkommen der Kakaofarmer:innen. Sie müssen ihre Bohnen nicht länger über die industrielle Kakaobörse vertreiben, sondern können direkt mit den bean-to-bar Hersteller:innen verhandeln. Die suchen genau diese außergewöhnliche Qualität und schätzen sie auch entsprechend wert. Hier entstehen momentan ähnliche Strukturen des direkten Handels, wie er im Bereich des Spezialitätenkaffees bereits weiter verbreitet ist.
GS: Was haltet Ihr von den Labels wie Fairtrade oder Gepa? Woran sollten sich die Käufer:innen heute bereits orientieren? Welchen Unterschied dazu macht ihr?
L&M: Labels sind auf jeden Fall ein positives Signal und schaffen zumindest schon einmal ein Bewusstsein dafür, dass es Missstände gibt und sich etwas ändern muss. Leider geht uns gerade das Fairtrade-Siegel nicht weit genug. Denn auch der Fairtrade-Aufpreis, den die Kakaofarmer:innen erhalten, reicht bei dem niedrigen Preisniveau von industriellem Kakao bei weitem nicht, um eine gesicherte Existenzgrundlage oder gar nachhaltige Zukunftsperspektiven zu schaffen.
Wirklich fairer Handel bedeutet im bean-to-bar Kosmos übrigens mindestens das Zwei- bis Dreifache des Fairtrade Preises. Oftmals werden zudem gemeinsame Projekte in den Anbauregionen angestoßen, um ökologischen Anbau zu fördern und intakte Ökosysteme zu schützen, sodass die Kakaofarmer:innen vom Regenwald leben können, anstatt ihn zu roden. Darüber möchten wir informieren, Bewusstsein und Transparenz schaffen und so möglichst vielen Schokoladen-Fans eine bessere Entscheidungsgrundlage ermöglichen.
GS: Könnt Ihr noch „normale“ Schokolade essen?
L&M: Hier müssen wir wohl beide mit Nein antworten. Das hat neben den schon beschriebenen Problemen industrieller Schokolade ganz klar auch mit dem wirklich außergewöhnlichen Geschmack von bean-to-bar Schokolade zu tun. Fruchtige Noten aus Madagaskar? Nussige Aromen aus Nicaragua? Die Kakaobohnen bringen eine unglaubliche Geschmacksvielfalt mit und wir sind wirklich begeistert davon, wie abwechslungsreich Schokolade schmecken kann. Wer einmal diesen AHA-Moment hatte, kann selten zurück!
GS: Die Supermarkt Schoki ist nicht nachhaltig verpackt. Gibt es im Bereich der bean-to-bar Schokolade Entwicklungen, von denen Ihr berichten möchtet?
L&M: Bei dem Thema Verpackungen gibt es unglaublich viele nachhaltige Lösungen mittlerweile. Unsere Versandkartons sind zum Beispiel aus Graskartonage. Das ist Altpapier mit einem beigemischten Grasanteil von Feldern, die ansonsten landwirtschaftlich nicht genutzt werden. Es entsteht also Altpapier aus Upcycling, welches dann wiederum selbst recyclebar ist. Außerdem sprechen wir mit den bean-to-bar Hersteller:innen über ihre eigenen Verpackungen und glücklicherweise haben viele von Ihnen das Thema bereits auf dem Schirm. Sie verzichten bewusst auf Verbundstoffe und achten auf komplett recyclebare Verpackungen. Generell sind wir sehr offen für jeden Hinweis, wie wir beim Thema Logistik und Versand immer nachhaltiger werden können.
GS: Bei Schokolade sprechen wir von enormen Transportwegen. Was könnt Ihr unter dem Gesichtspunkt der Schonung der Ressourcen dazu sagen?
L&M: Das ist eine total wichtige Frage. Kakao wächst nur in Äquatornähe und muss daher immer aufwendig zu uns gelangen und einige der Hersteller:innen finden dort zum Glück immer kreativere Lösungen. Wir haben Partner:innen, die nehmen diesbezüglich wirklich außerordentliche Mühen auf sich und versegeln die Kakaobohnen klimaschonend per Segelschiff aus der Karibik nach Deutschland. Dies ist leider noch nicht immer möglich und aus diesem Grund machen wir uns dafür stark, Schokolade bewusster zu konsumieren. Man sollte es aufgrund seiner weit entfernten Herkunft als Luxusgut sehen und nicht bloß als schnellen und günstigen Energiekick für Zwischendurch.
GS: Vielen lieben Dank an Euch für das Gespräch. Greenschnack wünscht Euch von ganzem Herzen allen Erfolg!
Viele Gründe sprechen für einen bewussteren Schokoladenkonsum
Es gibt also jede Menge Gründe sich als Konsument der bean-to-bar Bewegung anzuschließen und den zukünftigen Schokoladengenuss als einen wunderbaren Luxus zu erleben. Aber Vorsicht ist geboten. Wie ihr weiter oben lesen könnt: wenn ihr einmal in der bean-to-bar Genusswelt angekommen seid, gibt es keinen Weg mehr zurück. In diesem Sinne wünsche ich Euch wunderbare neue Erfahrungen.
Mehr zu once upon a bean erfahrt ihr unter www.onceuponabean.de