Habt Ihr schon einmal in der Stadt vor einem Straßenbaum gestanden und nach unten geschaut? Dann habt Ihr auf der sogenannten Baumscheibe, der ungepflasterten Fläche, über die der Baum sich mit Regenwasser versorgt, vermutlich Gras wachsen sehen. Oder Melde. Oder gar nichts, stattdessen Hundehäufchen. Und falls Ihr dann gedacht haben solltet: „Das wäre doch schön, wenn hier Blumen wachsen würden!“, dann habe ich eine gute Nachricht für Euch: Das geht, und viele tun es schon! Und die Stadt will es sogar fördern.
Grünflächen sind Augen- und Bienenweiden
Denn solche kleinen grünen Oasen in der Stadt sind wertvoll. Die Menschen genießen es, wenn sie eine schön bepflanzte Fläche sehen. Eine Pflanze bildet immer einen Gegenpol zur Hektik der Stadt, einen Mikrokosmos, in dem das Auge sich ausruhen kann. Um die großen Stadtbäume auf den Verkehrsinseln herrscht für mich immer Stille, ganz egal, wie laut es ist. Nun kann man nicht sofort einen Baum pflanzen, schon gar keinen großen. Aber auch kleine Pflanzen sind nützlich! Für uns im ästhetischen, für die Insekten im ganz praktischen Sinn. In vielen kleinen Beeten kann eine Hummel sich ebenso gut versorgen wie auf einer Blumenwiese. Und das Summen erfreut dann wieder unsere Ohren… So bilden diese Mikro-Grünflächen ein Netz, dass die Stadt belebt und, wie es der Stadtplaner ausdrückt „die Aufenthaltsqualität in den Quartieren hebt“. Wichtig für den ökologischen Nutzen ist es, dass Pflanzen gesetzt werden, die nicht nur hübsch aussehen, sondern auch Nahrung für unsere Insekten bereithalten.
Jetzt kann man natürlich einfach zur Harke greifen und loslegen – klassisches Guerrilla-Gardening. Dann muss man in Hamburg allerdings Glück haben. Auch die Flächen, die eher ungepflegt wirken, werden nämlich mehrmals im Jahr von den Jungs vom städtischen Bauhof gemäht, gegossen oder sonstiges. Und die merken leider nicht immer, dass sich da jemand Mühe gemacht hat; und dann ist die schöne Wildblumenwiese ganz plötzlich abgemäht oder umgegraben. Das spricht überhaupt nicht dagegen, hier und da ein paar (heimische Wildblumen-)Samen fallen zu lassen, aber wer sich längerfristig engagieren will, sollte das Ganze offiziell machen: mit einer Grünpatenschaft. Dabei übernimmt man offiziell in Absprache mit dem Bezirksamt die Zuständigkeit für die Pflege einer bestimmten Fläche. Diese wird aus dem städtischen Pflegeplan herausgenommen (und ist damit sicher vor den Jungs vom Bauhof).
Es gibt auch einen Verein dafür!
Ein paar engagierte Menschen haben Anfang des Jahres einen gemeinnützig anerkannten Verein gegründet, der dafür sorgen will, dass mehr öffentliche Flächen auf diese Weise verschönert werden: Greencity Hamburg eV. Mit Elke Umbeck, einer der Gründerinnen, habe ich diese Woche telefoniert. Ihre persönliche Initialzündung war es, als sich eine vorher karge Brachfläche durch blühende Bepflanzung in eine wunderschöne Augenweide verwandelte. Das war zwar in Bielefeld und von der Stadt angelegt, aber sie stellte fest, dass das in Hamburg auch möglich ist und man sich sogar selbst drum kümmern kann! Nachdem sie selber eine Patenschaft übernommen hatte, lernte sie bei der Arbeit im Beet andere begeisterte Menschen kennen, und um die Vernetzung zu fördern und Spendenquittungen für finanzielle Unterstützung ausstellen zu können (nicht jeder kann oder will selber gärtnern), riefen sie den Verein ins Leben. Mitten in der Coronazeit, in der ersten virtuellen Gründungssitzung Hamburgs. Der Ansatz von Greencity Hamburg ist pragmatisch. Jeder kann sich mit dem einbringen, was er gut kann, sei das nun gärtnerisches Wissen, Erfahrung in der Sponsorensuche oder das Übernehmen einer Patenschaft. Wichtig ist einfach, etwas zu tun! Demnächst ist eine öffentliche Aktion geplant, bei der eine Fläche beim Michel begrünt werden soll – wir werden Euch informieren! Auch soll es auf der Vereinshomepage bald die Möglichkeit geben, sich über freie Flächen zu informieren, die sich für eine Patenschaft anbieten. Schaut mal vorbei!
Grünpatenschaft Schritt für Schritt
Wie geht das nun aber mit der Patenschaft? Im Grunde ist es sehr einfach. Man geht auf eine sehr schlichte Behördenseite, die freundlich informiert: „Bürger und/oder Firmen können Patenschaften für Grünflächen oder Pflanzen übernehmen.“. Dort gibt man die Adresse ein, an der man gern gärtnern möchte und erhält die Nummer des zuständigen Bezirksamt-Mitarbeiters. So habe ich es vor gut drei Jahren gemacht, als ich in Barmbek eine Baumscheibe ins Auge gefasst hatte. Drei Telefonate und einen Ortstermin später war ich Patin! Beim Ortstermin durfte ich kurz erklären, was ich machen wollte (Wildblumenwiese, das war total in Ordnung) und bekam gesagt, was ich nicht machen durfte (Zaun; Bank; Pflanzen über 80cm; große Büsche, die dem Baum das Wasser wegsaufen – das war auch total in Ordnung). Von den Bezirken Eimsbüttel und Altona gibt es sogar Handzettel mit Empfehlungen, wie man das Gärtnern angehen sollte, inklusive Tipps für geeignete Pflanzen.
Ich besorgte mir Blumensamen im NABU-Garten, weil ich da nicht nur insektenfreundliche Pflanzen, sondern auch regionales Saatgut bekommen konnte. Und die Pflanzen von hier sind nun mal an das hiesige Klima am besten angepasst. Dann rupfte ich Gras, grub um und säte. Danach stand ich öfters am Fenster im ersten Stock und schaute, ob schon was keimte. Irgendwann war es soweit! Mein kleines Insektenparadies blühte und summte. Da es der trockene Sommer von 2018 wurde, schleppte ich jeden Abend kannenweise Wasser nach unten. Und natürlich zupfte ich Gras! Das lag auch daran, dass sich meine neue Patenschaft leider nicht bis zu den Jungs vom Bauhof rumgesprochen hatte und sie noch zweimal (!) Grassamen nachsäten… Aber es war nicht so schlimm, denn wenn ich da abends im Beet kniete und zupfte, kamen jede Menge Nachbarn vorbei, wir lernten uns ein bisschen kennen und plauderten. Im Folgejahr waren schon mehr Beete bepflanzt. Als wir nach Langenhorn umzogen, übernahm die Familie im Erdgeschoss meine Patenschaft.
Neulich bin ich nach zwei Jahren mal wieder an „meinem“ Beet vorbeigeradelt. Es blühten gerade Ringelblumen.